Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Hussein K. droht nach Zahngutachten lebenslange Haft
Gutachten in Freiburger Mordprozess: Hussein K. ist 25 Jahre alt – Härteres Urteil möglich
FREIBURG (dpa) - Der nach dem Sexualmord an einer Studentin in Freiburg angeklagte Flüchtling Hussein K. ist wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge älter als 21 Jahre. Die Analyse eines gezogenen Eckzahnes des Angeklagten habe ergeben, dass er 25 Jahre alt sei, sagte die Wissenschaftlerin Ursula Wittwer-Backofen am Dienstag vor dem Landgericht Freiburg. Folgt das Gericht der Einschätzung, würde für den vor der Jugendkammer Angeklagten Erwachsenenstrafrecht gelten. Ihm droht dann eine lebenslange Haft.
Hussein K. kam 2015 ohne Papiere nach Deutschland und galt als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling. Ihm werden Mord und Vergewaltigung vorgeworfen. Er hat zugegeben, im Oktober vergangenen Jahres eine 19 Jahre alte Studentin vergewaltigt zu haben. Die Frau ertrank im Wasser des Flusses Dreisam. Hussein K. hatte behauptet, zur Tatzeit 17 Jahre alt gewesen zu sein.
FREIBURG (dpa) - Hussein K. gab sich als Minderjähriger aus, nun stellt sich heraus: Der Flüchtling, der wegen Mord an einer Freiburger Studentin vor Gericht steht, ist wohl Mitte 20. Das fanden die Ermittler anhand eines Zahns heraus. Das wirkliche Alter des Angeklagten ist entscheidend für das Urteil im Freiburger Mordprozess.
Das Beweisstück mit der Nummer 14.2.2.2.25.48 brachte am Dienstag vor der Freiburger Kammer eine Wendung. Es ist ein Eckzahn des Angeklagten, der ihm von einem Zahnarzt bei einem Routineeingriff gezogen worden war. Andere Zähne hatten ihn überlagert, deshalb wurde der Zahn Nummer 13 mit der Wurzel herausgeholt. Hussein K. behielt ihn als Souvenir. Er bewahrte ihn in seinem Zimmer auf. Dort fanden ihn Polizeibeamte, als sie nach der Festnahme des Flüchtlings alles durchsuchten.
K. steht seit zwei Monaten vor Gericht. Er hat zugegeben, eine 19-Jährige im Oktober vergangenen Jahres in Freiburg vergewaltigt und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt zu haben. Die Frau ertrank im Wasser des Flusses Dreisam. Der Fall löste, noch vor dem Anschlag eines Tunesiers auf den Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember, Debatten über die deutsche Flüchtlingspolitik aus. K. behauptete, zur Tatzeit 17 Jahre alt gewesen zu sein. Zum Prozessauftakt gab er zu, älter zu sein. Ein konkretes oder belegbares Alter nannte er nicht.
Bisher war unklar, wie alt der vor der Jugendkammer stehende Hussein K. wirklich ist. Er galt als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling und hatte keine Papiere, als er im November 2015 nach Deutschland kam. Die Staatsanwaltschaft hält K. angesichts von insgesamt zwei Altersgutachten für mindestens 22 Jahre alt. Die Ergebnisse der Zahnuntersuchung gelten dabei als vergleichsweise sicher.
„So etwas haben wir selten in Strafverfahren, dass wir diese Methode anwenden können“, sagt die Wissenschaftlerin Ursula WittwerBackofen. Denn Zähne dürfen nicht gezogen werden, wenn der Betroffene nicht einverstanden ist. Das wäre Körperverletzung und illegal. Dass im konkreten Fall ein bereits vorher gezogener Zahn gefunden wurde, war Glück für die Ermittler. Er liefert, sagt die 60 Jahre alte Anthropologin, klarere Ergebnisse zur Altersdiagnostik als beispielsweise die weitaus häufiger verwendete Röntgenuntersuchung der Handwurzelknochen. Denn an Zähnen und deren Wurzel bilden sich, ähnlich wie bei Bäumen, sogenannte Jahresringe, erklärt die Wissenschaftlerin. Durch sie lässt sich das Alter errechnen.
Lebenslange Haft möglich
Wittwer-Backofen und ihre Kollegen an der Freiburger Uni haben bei solchen Untersuchungen deutschlandweit eine Führungsrolle. Meist hätten sie es, sagt die Gutachterin, mit historischen Skeletten zu tun. Aktuelle Strafverfahren seien selten. Unter dem Mikroskop haben sie Altersringe gezählt und rund 400 Fotos von ihnen gemacht. Ergebnis: Hussein K. ist laut Gutachten 25,8 Jahre alt. Rechne man alle Fehlerquellen und wissenschaftliche Unsicherheiten mit ein, ergebe sich für den Angeklagten eine Altersspanne von
22,5 bis 29,5 Jahre.
Folgt das Gericht dieser Einschätzung, würde für den Angeklagten Erwachsenenstrafrecht gelten. Ihm droht dann eine lebenslange Haft, möglicherweise Sicherungsverwahrung. Für Jugendliche und Heranwachsende sind die Strafen geringer. Voraussetzung: Die Verurteilten müssen dafür zur Tatzeit jünger als
22 Jahre sein.
Ein zweites, ebenfalls am Dienstag vorgestelltes Gutachten des Rechtsmediziners Andreas Schmeling stützt die These der Zahnuntersuchung. Auch demnach ist Hussein K. älter als 21 Jahre.
Mit einem Urteil in dem Verfahren wird nach Angaben der Vorsitzenden Richterin Kathrin Schenk im kommenden Jahr gerechnet. Bis dahin sollen weitere Sachverständige und Zeugen gehört werden.