Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Das Trainerkarussell dreht sich wild
In den Fußballligen der Region gab es in dieser Saison bereits zahlreiche Wechsel
RAVENSBURG - In der überhitzten Fußball-Bundesliga gehören Rausschmisse und Rücktritte von Trainern schon längst zur traurigen Tagesordnung, in den unteren Ligen sind sie dagegen noch immer eher eine Seltenheit. Doch in der aktuellen Saison scheint es in der Region fast so, als habe der Trend im Oberhaus den Amateurbereich angesteckt: Allein bei den Vereinen rund um Ravensburg, die in Oberliga, Landesliga und Bezirksliga Bodensee spielen, gab es bisher neun Wechsel. Ist das nur Zufall? Norbert Badstuber, aktuell beim FV Molpertshaus in der Kreisliga A 1 Bodensee tätig und Onkel des VfB-Stuttgart-Profis Holger Badstuber, überblickt 22 Jahre aus der Trainersicht, und sagt zur aktuellen Situation im regionalen Fußball: „Auch die unteren Ligen haben sich gewandelt.“
FV Ravensburg (Oberliga), FV Ravensburg II, TSV Eschach, SV Weingarten (alle Landesliga), SV Kressbronn, SC Unterzeil-Reichenhofen, SG Aulendorf, SV Baindt und SV Haisterkirch (alle Bezirksliga) – sie alle verbindet, dass sie bereits mindestens einen Trainerwechsel in der laufenden Saison 2017/2018 hinter sich haben. Darunter waren sehr nachvollziehbare wie die Entlassung von Wolfgang Steinbach, der mit der SG Aulendorf tief im Tabellenkeller der Bezirksliga steckte. Dazu gehörte aber auch der Rauswurf von Stefan Krause beim SV Kressbronn, der zu diesem Zeitpunkt Fünfter in der Bezirksliga war. „Von außen sind längst nicht alle Entscheidungen nachvollziehbar“, sagt Norbert Badstuber.
Die Chemie muss stimmen
Nicht immer wurden die Trainer entlassen. Wolfram Eitel etwa trat beim FV Ravensburg nach dreieinhalb Jahren zurück, auch Markus Giuliani verließ den SV Haisterkirch von sich aus – bereits nach wenigen Spielen. Eitel machte in einer Situation den Stuhl in Ravensburg frei, als er die Ziele des Teams in der Oberliga in Gefahr sah, nachdem die Jahre zuvor sehr erfolgreich verlaufen waren. Ganz anders fiel Giulianis Bilanz in Haisterkirch aus. Die Mannschaft fand sich in den wenigen Monaten seiner Amtszeit im Tabellenkeller der Bezirksliga wieder. Öffentlich bekannt wurde, dass die Spieler mit dem Konzept des Trainers nicht einverstanden waren. Die schlechte Stimmung veranlasste Giuliani zum zügigen Rücktritt.
Auch beim Haisterkircher Ligakonkurrenten SC Unterzeil-Reichenhofen musste schon nach wenigen Spieltagen ein neuer Trainer her. Das Eigengewächs Felix Braun übernahm, da Bernd Bräuchler sein Amt nach mehreren Niederlagen zur Verfügung stellte. Inzwischen unterstützt Bräuchler Trainer Xaver Krug beim FC Leutkirch II – dieses Team hatte Bräuchler schon selbst hauptverantwortlich gecoacht.
Dass es heute auch im Amateurbereich schneller als früher zur Trennung komme, macht Norbert Badstuber am eigenen Beispiel fest. Eine Daueranstellung wie bei seinem Heimatverein Rot an der Rot, den er acht Jahre trainierte, sei inzwischen eine absolute Ausnahme im Fußballbereich, sagt der 51-Jährige. Woran es liegt, dass die Verweildauer bei einem Verein heute kürzer ist? Eventuell gestiegener Druck sei dafür eher nicht verantwortlich, den habe es immer schon gegeben – etwa den Stress durch die Doppelbelastung von Hauptberuf und Trainerjob.
Ganz sicher über die Jahre gleich geblieben sei auch, dass zwischen Verein und Trainer „die Chemie stimmen“müsse. Wenn dies nicht der Fall sei, sei eine schnelle Trennung am besten. Badstuber selbst bietet sich da beim FV Molpertshaus als Gegenbeispiel an. Nach acht Spielen hatte die Mannschaft in der Kreisliga A 1 gerade einmal zwei Punkte gesammelt. Nervös machte das keinen in der Führungsebene des Vereins. Die Ruhe zahlte sich aus. Zuletzt hat Molpertshaus zweimal gewonnen. „Es macht viel Spaß hier“, unterstreicht Badstuber.
„Dreckiger“Rauswurf in Eschach
Das lässt sich nach den jüngsten Ereignissen nicht vom TSV Eschach behaupten. Dort wurde Trainer Nectad Fetic entlassen und sprach anschließend von einem „dreckigen“Rauswurf. Im Raum stehen Differenzen mit dem sportlichen Leiter des Landesligisten, Martin Blank. Unzufriedene Spieler habe es zwar gegeben, bestätigt Fetic, aber die gebe es in einem größeren Kader immer.
Apropos Kader: Norbert Badstuber hat festgestellt, dass Spieler in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer häufiger längere Zeit fehlen, weil sie auf Reisen gehen oder sich für das Studium im Ausland aufhalten. Dieses geänderte Verhalten zu früher, als die Vereinstreue noch groß war, sei auffällig. Ein durch diese Ausfälle nicht durchgehend gleich bleibender Kader mache die Arbeit für einen Trainer komplizierter: Taktik, Spielsystem, eine eingespielte Mannschaft formen – all das sei schwierig, sagt Badstuber.
So schwierig offenbar, dass sich das Karussell bei manch einem Verein auch mal richtig wild dreht. Eindrucksvollstes Beispiel: Landesligist SV Weingarten präsentierte mit Thomas Gadek in dieser Woche bereits den fünften Trainer der laufenden Saison. Gadek sollte eigentlich erst zur Winterpause übernehmen, löst Interimscoach Robert Stellmacher aber jetzt schon ab, da der Verein „ein Zeichen an die Mannschaft setzen“wollte, wie der sportliche Leiter Alexander Bleile sagt.
Alle Trainerwechsel in der Region Ravensburg sind nichts im Vergleich zu dem, was sich bekanntlich beim FC Mengen in der Bezirksliga Donau kürzlich abspielte: Da wurde Coach Nikolai Gleich nach sieben Siegen in sieben Spielen (!) als Tabellenführer entlassen. Die Mannschaft siegte einfach weiter, einmal unter einem Interimsgespann, zuletzt fünfmal unter dem neuen Coach Miroslav Topalusic. Mengen hat nach 13 Siegen in 13 Spielen inzwischen 39 Punkte auf dem Konto. Daneben gab es in der Bezirksliga Donau nur zwei weitere „Scheidungen“, beide eher in den hinteren Regionen der Tabelle: Bad Schussenried trennte sich von Markus Keller und in Ebenweiler trat am Sonntag Bernd Fähnrich zurück. In der Bezirksliga Riß gab es insgesamt sogar nur einen Wechsel auf der Trainerposition (beim SV Reinstetten).