Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
In Scheer stößt man jetzt überall auf Nikolaus
Werner Mezger blickt in einem Vortrag am 30. November auf die Nikolausverehrung
SCHEER - Weil nicht nur die katholische Kirche in Scheer nach dem Heiligen Nikolaus benannt ist, sondern aufmerksame Einwohner und Besucher auch an anderen Stellen der Stadt auf ihn stoßen, soll nun ein Vortrag Interessierten noch mehr Informationen über den Nikolaus bieten. Auf Einladung des Kirchengemeinderats wird Werner Mezger am Donnerstag, 30. November, um 19 Uhr in der Kirche St. Nikolaus auf das Leben und Wirken des Heiligen blicken.
Um 1200, als die Kirche in Scheer erbaut wurde, sei es gerade in Mode gewesen, Kirchen nach dem Heiligen Nikolaus zu benennen, weiß Eugen Pröbstle, Zweiter Vorsitzender des Kirchengemeinderats Scheer. „Über 2000 Kirchen tragen seinen Namen“, sagt er. „Scheer ist eine davon.“Da Nikolaus als Patron der Seefahrer gilt und zu ihm gebetet wurde und wird, um Wassergefahren abzuwenden, seien zunächst viele Städte am Meer auf die Idee gekommen, ihre Kirchen Nikolaikirche zu nennen. „In Scheer hat es viele wirklich schlimme Hochwasser gegeben, da lag es nahe, Nikolaus als Kirchenpatron auszuwählen“, so Pröbstle.
Statue auch im Rathaus
Heute stünde in der Kirche noch immer eine gotische Nikolausstatue, das Bild im Altarraum zeige die Aufnahme des Heiligen Nikolaus in den Himmel und auf einer Glocke im Kirchturm sei das Relief einer Nikolausszene zu sehen. „Aber auch außerhalb der Kirche findet man viele Verweise auf Nikolaus“, sagt Pröbstle. So befinde sich etwa im Rathaus eine weitere Statue, die sich unter Umständen zu früheren Zeiten in einer Nische auf der Holzbrücke über der Donau befunden habe. „Als dann der Nepomuk die Aufgabe übernommen hat, wanderte Nikolaus ins Rathaus hinüber“, glaubt Pröbstle. Außerdem gebe es ein Waldstück, das Nikolaushölzle genannt würde.
„Jedes Jahr warten Kinder auf den Nikolaus“, sagt Pröbstle. „Oft wissen aber weder sie noch ihre Eltern richtig, wer Nikolaus von Myra war, das Myra in der heutigen Türkei liegt und wie sich der Nikolaus vom roten Coca-Cola-Weihnachtsmann unterscheidet.“Und wer könnte interessierte Gäste besser über die Legenden und die verschiedenen Seiten der Nikolausgestalt aufklären, als der Historiker Werner Mezger. Vielen ist dieser vor allem aus der Fasnetszeit und dem Fernsehen bekannt. „Aber er kennt sich auf dem Spezialgebiet Sankt Nikolaus so gut aus, wie kaum ein anderer“, so Pröbstle. Deshalb sei der Kirchengemeinderat froh, dass Mezger noch einem Termin für Scheer in seinem vollen Kalender gefunden habe.
Auswüchse der Verehrung
Während am Mittwoch, 6. Dezember, um 18 Uhr der Nikolaus wie im vergangenen Jahr mit einem Boot über die Donau zu den Kindern aus Scheer kommen wird, ist der Vortrag in der kommenden Woche für Erwachsene gedacht. „Wir werden in der Kirche eine Leinwand aufstellen“, so Pröbstle. Mit zahlreichen Bildern zeichnet der Vortrag laut Ankündigung von Mezger die Entstehung, Entwicklung und Veränderung der Nikolausverehrung und -folklore in Europa und weltweit nach. Ganz besonders illustriere er das Spektrum der Rituale des Nikolausabends, das von der würdigen Einkehr des Bischofs Nikolaus in die Häuser bis zu Maskenläufen und wilden Lärmumzügen reicht, die unweigerlich an Fastnacht erinnern. Dabei werde deutlich, dass oft gerade bei jenen „Auswüchsen“, angesichts derer die Toleranz der Theologen endet, das Interesse der Kulturwissenschaftler erst beginnt. Was sich nämlich im Umgang der Bevölkerung mit der legendären Gestalt des heiligen Nikolaus verdichtet, sind nichts anderes als Botschaften über die Lebensverhältnisse, geistigen Orientierungen und Wertvorstellungen von Menschen in ihrer Zeit.
Alle sind eingeladen
Die Organisatoren haben die Nikolausgemeinden und Nikolausgilden aus der Region angeschrieben und zu dem Vortrag eingeladen. „Für die dürfte der Abend besonders spannend werden“, glaubt Pröbstle. Aber natürlich seien alle Interessierten eingeladen.
Der Vortrag von Werner Mezger beginnt am Donnerstag, 30. November, um 19 Uhr in der Kirche St. Nikolaus in Scheer. Der Eintritt ist frei, Spenden zugunsten der neuen Orgel sind gern gesehen. Im Anschluss laden Kirchengemeinderat und Förderverein zu Glühwein ins Gemeindehaus ein.