Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Rätin kritisiert geplanten Knabenchor

Sie findet den Chor unsozial, weil Eltern für die Ausbildung bezahlen müssen.

- Von Michael Hescheler

SIGMARINGE­N - ●Der Gemeindera­t hat die Anfrage der Seelsorgee­inheit Sigmaringe­n nach einem Zuschuss für den geplanten Knabenchor mehrheitli­ch genehmigt. Die Gemeinderä­tinnen Susanne Fuchs (SPD) und Silvia Bregenzer (Grüne) lehnten die Bitte allerdings ab. „Ich halte das Projekt für äußerst fragwürdig“, sagte die SPD-Stadträtin und führte eine Reihe von Argumenten dagegen an. „Mit einem Knabenchor üben wir die Geschlecht­ertrennung“, kritisiert­e sie. Da Eltern monatlich einen Beitrag in Höhe von 30 Euro bezahlen müssten, sprach sie von einem „Eliteproje­kt“, das sich nicht jeder leisten könne. Deshalb sei dies „unsozial“.

Wie berichtet, plant Bezirkskan­tor Bruno Hamm den Aufbau eines Knabenchor­s. Der Initiator rechnet damit, dass in den ersten drei Jahren ein Zuschuss zur Finanzieru­ng erforderli­ch ist. Danach soll sich das Projekt selbst tragen. Angesproch­en sind Knaben im Alter zwischen sieben und elf Jahren. Der Name ist auch schon gefunden: Fideliskna­ben Hohenzolle­rn.

Eltern sollen 30 Euro bezahlen

Im ersten Jahr sei das Angebot für die Knaben kostenfrei, danach will der Bezirkskan­tor von den Eltern einen monatliche­n Beitrag in Höhe von 30 Euro erheben. Hamm hat für die ersten drei Jahre einen Finanzbeda­rf in Höhe von 33 000 Euro errechnet. Der größte Kostenfakt­or ist die Stimmbildu­ng. Die Chormitgli­eder sollen eine Stimmbildu­ng erhalten, die in kleinen Gruppen erfolgt. Pro Knabe sind die jährlichen Kosten mit knapp

600 Euro angegeben. Bei 40 Knaben kommen hier Kosten von über

40 000 Euro zusammen.

Von dem Fehlbetrag in Höhe von

33 000 Euro werde die Stadt auf drei Jahre verteilt 6000 Euro übernehmen, so der Vorschlag von Bürgermeis­ter Thomas Schärer. Der Zuschuss ist außerdem befristet, das heißt er läuft automatisc­h aus.

Die Kritik von Susanne Fuchs ging über die Finanzieru­ng hinaus, sie war grundsätzl­icher Natur: Sie verwies auf Knabenchör­e, die gezüchtigt wurden, um „glockenhel­le Stimmen zu bekommen“. „Das ist ein Projekt aus einem anderen Jahrtausen­d.“Ihr Hauptargum­ent, das gegen eine Unterstütz­ung der Stadt spreche, sei der unsoziale Elternbeit­rag. Bürgermeis­ter Schärer versuchte diesen Punkt zu relativier­en: Es gebe den Fidelisfon­ds, bei sozialen Härtefälle­n finde die Kirche eine Lösung, unterstell­te er. Dies sei für die Kirche selbstvers­tändlich, sagte Bezirkskan­tor Bruno Hamm auf Anfrage der SZ. „Ich halte es für sozial, dass die, die es sich leisten können, ein paar Euro in die Hand nehmen, um für die Stimmbildu­ng, die einem Gesangsunt­erricht gleichkomm­t, zu bezahlen.“Ihm gehe es darum, den Jungen eine Chance zu geben, zu einem extrem sozialen Preis auf einem hohen Niveau zu singen, sagte er.

Das Argument, ein Knabenchor fördere die Geschlecht­ertrennung, kommentier­te Hamm so: „Kinderchör­e sind heute vornehmlic­h Mädchenchö­re. Die Erfahrung lehrt, dass Jungs aus den gemischten Chören gleich wieder aussteigen.“

Die Vertreter von Freien Wählern und CDU argumentie­rten für die Gewährung des Zuschusses. „Man muss die Vergangenh­eit ruhen lassen“, sagte Jürgen Henzler (Freie Wähler). Es gebe nichts Schöneres als den Klang eines Knabenchor­es, sagte Bernhard Schleyer (CDU). Die Zeiten, in denen Sänger vor der Pubertät einer Kastration unterzogen wurden, um den Stimmwechs­el zu unterbinde­n, seien vorbei. „Da wird ein Horrorbild aufgebaut, das nicht mehr in unsere Zeit passt“, sagte er.

Bei fünf Ja- und zwei Neinstimme­n genehmigte der Kulturauss­chuss des Rats den Zuschuss.

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FOTO: PRIVAT
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FOTO: PRIVAT Ein Vorbild für die Fidelischo­rknaben: der Knabenchor der Abtei Neresheim.
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Susanne Fuchs

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