Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Rätin kritisiert geplanten Knabenchor
Sie findet den Chor unsozial, weil Eltern für die Ausbildung bezahlen müssen.
SIGMARINGEN - ●Der Gemeinderat hat die Anfrage der Seelsorgeeinheit Sigmaringen nach einem Zuschuss für den geplanten Knabenchor mehrheitlich genehmigt. Die Gemeinderätinnen Susanne Fuchs (SPD) und Silvia Bregenzer (Grüne) lehnten die Bitte allerdings ab. „Ich halte das Projekt für äußerst fragwürdig“, sagte die SPD-Stadträtin und führte eine Reihe von Argumenten dagegen an. „Mit einem Knabenchor üben wir die Geschlechtertrennung“, kritisierte sie. Da Eltern monatlich einen Beitrag in Höhe von 30 Euro bezahlen müssten, sprach sie von einem „Eliteprojekt“, das sich nicht jeder leisten könne. Deshalb sei dies „unsozial“.
Wie berichtet, plant Bezirkskantor Bruno Hamm den Aufbau eines Knabenchors. Der Initiator rechnet damit, dass in den ersten drei Jahren ein Zuschuss zur Finanzierung erforderlich ist. Danach soll sich das Projekt selbst tragen. Angesprochen sind Knaben im Alter zwischen sieben und elf Jahren. Der Name ist auch schon gefunden: Fidelisknaben Hohenzollern.
Eltern sollen 30 Euro bezahlen
Im ersten Jahr sei das Angebot für die Knaben kostenfrei, danach will der Bezirkskantor von den Eltern einen monatlichen Beitrag in Höhe von 30 Euro erheben. Hamm hat für die ersten drei Jahre einen Finanzbedarf in Höhe von 33 000 Euro errechnet. Der größte Kostenfaktor ist die Stimmbildung. Die Chormitglieder sollen eine Stimmbildung erhalten, die in kleinen Gruppen erfolgt. Pro Knabe sind die jährlichen Kosten mit knapp
600 Euro angegeben. Bei 40 Knaben kommen hier Kosten von über
40 000 Euro zusammen.
Von dem Fehlbetrag in Höhe von
33 000 Euro werde die Stadt auf drei Jahre verteilt 6000 Euro übernehmen, so der Vorschlag von Bürgermeister Thomas Schärer. Der Zuschuss ist außerdem befristet, das heißt er läuft automatisch aus.
Die Kritik von Susanne Fuchs ging über die Finanzierung hinaus, sie war grundsätzlicher Natur: Sie verwies auf Knabenchöre, die gezüchtigt wurden, um „glockenhelle Stimmen zu bekommen“. „Das ist ein Projekt aus einem anderen Jahrtausend.“Ihr Hauptargument, das gegen eine Unterstützung der Stadt spreche, sei der unsoziale Elternbeitrag. Bürgermeister Schärer versuchte diesen Punkt zu relativieren: Es gebe den Fidelisfonds, bei sozialen Härtefällen finde die Kirche eine Lösung, unterstellte er. Dies sei für die Kirche selbstverständlich, sagte Bezirkskantor Bruno Hamm auf Anfrage der SZ. „Ich halte es für sozial, dass die, die es sich leisten können, ein paar Euro in die Hand nehmen, um für die Stimmbildung, die einem Gesangsunterricht gleichkommt, zu bezahlen.“Ihm gehe es darum, den Jungen eine Chance zu geben, zu einem extrem sozialen Preis auf einem hohen Niveau zu singen, sagte er.
Das Argument, ein Knabenchor fördere die Geschlechtertrennung, kommentierte Hamm so: „Kinderchöre sind heute vornehmlich Mädchenchöre. Die Erfahrung lehrt, dass Jungs aus den gemischten Chören gleich wieder aussteigen.“
Die Vertreter von Freien Wählern und CDU argumentierten für die Gewährung des Zuschusses. „Man muss die Vergangenheit ruhen lassen“, sagte Jürgen Henzler (Freie Wähler). Es gebe nichts Schöneres als den Klang eines Knabenchores, sagte Bernhard Schleyer (CDU). Die Zeiten, in denen Sänger vor der Pubertät einer Kastration unterzogen wurden, um den Stimmwechsel zu unterbinden, seien vorbei. „Da wird ein Horrorbild aufgebaut, das nicht mehr in unsere Zeit passt“, sagte er.
Bei fünf Ja- und zwei Neinstimmen genehmigte der Kulturausschuss des Rats den Zuschuss.