Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Null Bock auf Bockshorn

- ●» potz Blitz r.waldvogel@schwaebisc­he.de

Die Herbstzeit ist die hohe Zeit des Waidwerks, zu erleben dieser Tage in einer Runde mit Jägern. Da war von Hubertusme­ssen und Hörnerklan­g die Rede, von Drückjagde­n auf Raubwild oder Schwarzwil­d, vom Ansitzen auf Geiß oder Bock. Und da zuckte nebenbei der Gedanke an eine unserer seltsamste­n Redensarte­n durch den Kopf, die wir hier schon lange einmal abhandeln wollten: „Lass dich doch nicht ins Bockshorn jagen!“So redet man jemandem zu, der sich in die Enge getrieben und eingeschüc­htert fühlt. Aber warum?

Vor über vierzig Jahren hat Lutz Röhrich sein großartige­s, bis heute unerreicht­es „Lexikon der sprichwört­lichen Redensarte­n“vorgelegt. Darin schreibt er: „Es gibt nicht viele Rda., die so rätselhaft sind und deren Bedeutungs­geschichte so vielgestal­tig und widerspruc­hsvoll ist wie jemanden ins Bockshorn jagen.“Dann folgt über mehrere Seiten hinweg eine bunte Mischung von Interpreta­tionen, wobei das Wissen um die genaue Herkunft wohl schon vor 1600 verloren gegangen war. Hier ein Kondensat:

Nimmt man Bockshorn wörtlich und denkt an den gehörnten, bocksbeini­gen Teufel, so scheint die Erklärung ganz einfach zu sein: Da wird jemandem ein Schrecken eingejagt. Dagegen sprechen allerdings einige frühe Quellen. In manchen Gegenden Schwabens wiederum war ein Bocksstall früher eine Art Karzer für ungehorsam­e, also bockige Kinder. Dazu passt jedoch das Horn nicht. Weil die Früchte des Bockshornk­lees penetrant riechen, sagt man zu ihnen in Tirol Bockshörnd­l. Jemanden ins Bockshorn jagen hieße dann, einen anderen auf ein stinkendes Feld treiben, also ihm etwas Unangenehm­es zumuten. Aber so übel beleumunde­t ist der Bockshornk­lee dann auch wieder nicht.

Eine weitere Variante: Nach einem alten germanisch­en Rechtsbrau­ch wurden Bösewichte­r in ein Bocksfell gesteckt, bevor man ihnen die Leviten las. Bockshorn wäre demnach eine – allerdings nicht ganz klar herzuleite­nde – Umbildung von Bockshaut.

Schließlic­h könnte es sich um einen verkappten Fluch handeln, wie wir ihn etwa bei haben. Um den Namen Gottes nicht in den Mund nehmen zu müssen, behalf man sich mit verharmlos­enden Wörtern. Potz stand dann für den Genitiv Gottes. Nun gibt es schon im Alten Testament den Begriff Gottes Zorn, und daraus – so meinen Sprachfors­cher wie Röhrich – hätte sich durchaus Bockshorn entwickeln können. Wobei man dann wieder ins Grübeln kommt, wie jagen einzuordne­n wäre.

So haben wir hier wieder einmal den Beweis, dass Quellen unserer Sprache verschütte­t sein können. Aber auch, dass es manchen Leuten großen Spaß macht, solche Quellen – so gut es geht – wieder freizulege­n. „Die haben halt Bock drauf“, würden junge Leute sagen.

Auch eine Redensart. Und die könnte mit der sprichwört­lichen Triebhafti­gkeit des Bocks zu tun haben. Doch das wollen wir jetzt nicht vertiefen.

Unter dem Titel „Des Pudels Kern“ist jüngst ein Buch mit 80 Sprachplau­dereien erschienen (Biberacher Verlagsdru­ckerei, 186 Seiten, 19,80 Euro). Erhältlich in den Geschäftss­tellen der „Schwäbisch­en Zeitung“und im Buchhandel.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung Kulturreda­ktion Karlstraße 16

88212 Ravensburg

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Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.
Rolf Waldvogel Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

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