Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Fachkräfte händeringend gesucht
Die österreichische Wirtschaft legt zu – Jährlich zieht es 20 000 Deutsche über die Grenze
sterreichs Wirtschaft wächst weiterhin. Dieses Jahr wird mit einer Steigerung des Bruttoinlandsprodukts um 2,8 Prozent gerechnet. Für 2018 sind die Prognosen der Konjunkturforscher ähnlich optimistisch. Diese Zahlen verheißen, dass sich Österreich wirtschaftlich besser entwickelt als etwa die Bundesrepublik. Das kleine Nachbarland bleibt also für Job suchende Deutsche interessant. Jährlich suchen etwa 20 000 von ihnen ihre berufliche Zukunft irgendwo zwischen Vorarlberger Rheintal und Wien.
160 Weltmarktführer
Österreich ist der Standort zahlreicher Weltmarktführer. Einer Liste heimischer Wirtschaftsverbände zufolge zählen dazu rund 160 Unternehmen. Sie kommen aus den unterschiedlichsten Branchen. So kann es ein Seilbahnbauer sein, ein Betrieb zum Herstellen von Wintersportartikeln, ein Zulieferer der Automobilindustrie, ein Getränkeproduzent oder auch ein Maschinenbauer. Die Wirtschaft des Landes ist breit aufgestellt.
Wichtigster Handelspartner ist dabei Deutschland. Rund 30 Prozent der österreichischen Exporte gehen dorthin. Die Deutschen liefern indes über 40 Prozent der Importe. Sinnigerweise stellen sie auch die stärkste Ausländergruppe in Österreich. Gegenwärtig leben dort rund 180 000 Deutsche – Tendenz steigend. Für Österreichs Wirtschaft sind zudem noch die Pendler interessant. Mehr als 34 000 Deutsche fahren täglich zum Arbeiten über die Grenze.
Wie in Deutschland werden auch in Österreich händeringend Fachkräfte gesucht. Eine Umfrage im Jahr 2016 ergab, dass 34 Prozent der angesprochenen Unternehmen Probleme hatten, zeitnah ihre freien Stellen zu besetzen. Aber auch auf längere Frist gesehen scheint das Rekrutieren von Mitarbeitern schwierig zu sein. Insgesamt blicken laut Wirtschaftsverbänden über 60 Prozent der Unternehmen skeptisch auf das Angebot auf dem Arbeitsmarkt.
Besonders gesucht sind in diesem Zusammenhang Facharbeiter, Handwerker, Vertriebsmitarbeiter und Bürokräfte. Aus dem Beschäftigungsbericht der EU geht zwar hervor, dass es durchaus genug Menschen zum Besetzen freier Stellen gebe. Immerhin bewegt sich die Arbeitslosenquote in Österreich seit zwei Jahren auf dem hohen Niveau von rund neun Prozent. In dem EU-Report heißt es jedoch nüchtern, dass die Qualifikation vieler Arbeitsloser ungenügend sei.
Ein ganz spezielles Thema sind die Saisonarbeitskräfte im Bereich der Gastronomie. Gerade im Winter, wenn das Tourismusgeschäft brummt, tun sich die Wirte und Hoteliers inzwischen schwer, ausreichend Köche und Kellner zu finden. Eine Zeit lang war es ihnen noch gelungen, Mitarbeiter aus den neuen Bundesländern oder angrenzenden osteuropäischen Staaten für sich zu gewinnen. Aber der Zustrom ist teilweise versiegt, auch weil die früheren Rekrutierungsgebiete nicht mehr so notleidend sind, wie sie einst waren. Außerdem haben Arbeitsbedingungen und Bezahlung im Gastronomiebereich einen schlechten Ruf. Zu Unrecht, wie der österreichische Gastronomieverband meint.
Zweiter Job erforderlich
Aber bei der Saisonarbeit in diesem Bereich existiert noch eine weitere Hürde: Wer dort tätig ist, braucht irgendwo einen weiteren Job für den Rest des Jahres – beispielsweise sommers Kellner am Bodensee und winters Barkeeper in Ischgl. Funktioniert dies nicht, wandern Interessenten rasch in andere Bereiche ab.
In welche Klemme der Tourismussektor geraten kann, zeigen die Zahlen zu den Gästeankünften in Österreich. Sie haben sich in den vergangenen zehn Jahren um fast zwölf Millionen erhöht. Ohne Servicekräfte droht jedoch Stagnation oder Rückgang. Für viele Alpentäler wäre dies der wirtschaftliche Niedergang.