Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Drei Versuche gegen die Endlichkeit
J. M. Coetzee experimentiert in „Ein Haus in Spanien“mit Erzählformen
Das Lesen von Romanen bereite ihm nicht viel Vergnügen, schrieb J. M. Coetzee 2010 im Briefwechsel mit Kollege Paul Auster. „Vor die Alternative gestellt, einen mittelmäßigen Roman zu lesen oder Laub im Garten zu harken, würde ich mich wahrscheinlich fürs Laubharken entscheiden.“Er werde ungeduldig bei Romanen, „die nicht etwas versuchen, das noch nie vorher versucht wurde“.
Immer wieder hat der 1940 in Kapstadt geborene und seit 2002 im australischen Adelaide lebende Coetzee versucht, Schreibgewohnheiten aufzubrechen. Zuletzt in dem wenig überzeugenden Roman „Die Kindheit Jesu“(2013), in dem er über ein Flüchtlingskind schrieb, das bei der Flucht übers Meer seine Eltern verloren hat. Jetzt erscheint ein dünnes Büchlein mit drei Geschichten, in denen der Literaturnobelpreisträger von 2003 erneut experimentiert und gängige Genre-Grenzen aufweicht. Im Text „Ein Haus in Spanien“, der dem Band den Namen gibt, berichtet ein Schriftsteller von seinem aus dem 13. Jahrhundert stammenden Häuschen in Katalonien, das er sich gekauft und selbst renoviert hat – obwohl er im Dorf deswegen schräg angeschaut wird, gilt es doch als ungeschriebenes Gesetz, dass Fremde einen einheimischen Handwerker mit den Renovierungsarbeiten betrauen.
„Seit seiner Jugend hat er sich zu Spanien hingezogen gefühlt, zum Spanien des wortkargen Stolzes und der alten Bräuche“, schreibt Coetzee in der dritten Person und spricht dabei zweifelsohne von sich selbst.
Um Kultur und Kulturverlust geht es in „Nietverloren“, dem zweiten Text, der in Südafrika angesiedelt ist und mit einer Kindheitserinnerung beginnt. Vom alten Dreschboden zeugt heute nur noch ein Kreis in der Steppe. Früher trampelten hier Esel und trennten die Spreu vom Weizen. Heute ist es billiger, Korn im 30 Kilometer entfernten Laden zu kaufen, die Landwirtschaft liegt brach, die historischen Karoo-Farmen werden nur noch für Touristen am Leben gehalten.
Coetzee, der Vegetarier und Schirmherr der australischen Tierrechtsorganisation „Voiceless“ist, übt subversiv Kapitalismuskritik und rügt den Mangel an Nachhaltigkeit dieser nur am Profit orientierten Welt. Sein zwischen Essay und Erzählung changierender Text liest sich wie ein Plädoyer gegen die Globalisierung. Am Ende jedoch konstatiert er hoffnungslos: „Aber daran kann man nichts ändern, jedenfalls fällt ihm nichts ein.“Es sei denn, man flieht vielleicht in eine andere Welt und zwar in die der Literatur. Deswegen rundet die in Form einer Erzählung geschriebene Nobelpreisrede den Band ab, in der ein zurückgekehrter Robinson in der Zivilisation nicht mehr glücklich wird und sich ins Schreiben flüchtet. Ähnlich wie das Coetzee seit Jahren tut, der Interviews verweigert und sich vom Literaturbetrieb fernhält.
Die drei Texte, die allesamt nicht neu sind, sondern zwischen 2000 und 2003 entstanden, können so als drei Versuche gegen die Endlichkeit stehen. Homogen wirkt das Bändchen nicht, eher wie ein Experimentierfeld. Beim Lesen wird man das Gefühl nicht los, dass die drei Texte nicht fertig sind, nicht ausgereift.
J. M. Coetzee: Ein Haus in Spanien. S. Fischer Verlag, 2017. 64 Seiten, 12 Euro