Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Strobl möchte Einbürgerung erschweren
Vorstoß: Staatsbürgerschaft künftig nur noch bei eindeutigem Nachweis der Identität
STUTTGART - Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) will es Ausländern erschweren, deutsche Staatsbürger zu werden – oder zu bleiben. Wer falsche Angaben zu seiner Identität gemacht hat, oder nicht verfassungstreu ist, soll die deutsche Nationalität künftig auch nach zehn Jahren wieder verlieren können. Die Grenze liegt bislang bei fünf Jahren. Einen entsprechenden Antrag bringt Strobl bei der Innenministerkonferenz ein, die heute in Leipzig startet.
Der Vorstoß aus dem Südwesten und Berlin zielt auf eine Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes ab. Darin ist geregelt, wer unter welchen Bedingungen Deutscher werden kann. Bisher ist nicht festgeschrieben, welche Dokumente ein Ausländer über seine Identität vorlegen muss, um Deutscher zu werden. Verwaltungsgerichte gehen laut Innenministerium sehr unterschiedlich damit um. Manchen reiche ein Zeugenbeweis oder Dokumente wie Melde- oder Schulbescheinigung. So hat dieses Jahr etwa auch das Stuttgarter Verwaltungsgericht geurteilt.
Strobl fordert nun eine bundesweit einheitliche Regelung. „Wir wollen so Doppelidentitäten vermeiden“, erklärt eine Ministeriumssprecherin der „Schwäbischen Zeitung“. Denn nur bei zweifelsfrei geklärter Identität seien Sicherheitsüberprüfungen möglich und könne geklärt werden, ob ein Ausländer etwa Mitglied oder Unterstützer einer Terrororganisation sei.
Rückenwind erfährt Strobl von seinem bayerischen Amtskollegen Joachim Herrmann (CSU). Immer wieder komme es zu Fällen, in denen Eingebürgerte kurz nach Ablauf der Fünf-Jahres-Frist ihre wahre Identität oder Verbindungen zu Extremisten aufdeckten. „Die Ernsthaftigkeit der gesetzlichen Forderung, im Rahmen der Einbürgerung wahre Angaben zu machen, wird durch ein solches Vorgehen inzwischen zunehmend untergraben“, sagte Herrmann der „Schwäbischen Zeitung“.
Laut dem Stuttgarter Innenministerium wurde seit 2009 bundesweit 125 Menschen die Staatsbürgerschaft aberkannt. In 200 Fällen war dies wegen der Frist nicht mehr möglich – die Dunkelziffer ist laut einer Sprecherin aber deutlich höher.
STUTTGART - Für Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) muss das Staatsangehörigkeitsgesetz verschärft werden. Einen entsprechenden Antrag bringt er bei der Innenministerkonferenz ein. Nur wer seine Identität zweifelsfrei nachweisen kann, soll künftig Deutscher werden können, erklärt er im Gespräch mit Kara Ballarin.
Was ist Auslöser für Ihren Vorstoß?
Stellen Sie sich den folgenden Fall vor: Da kommt im Herbst 2015 während des großen Flüchtlingszustroms einer nach Deutschland und behauptet, Syrer zu sein – in Wirklichkeit ist er aber Iraker. Seinen Ausweis verbirgt er. Nach sechs Jahren kann er bei guter Integration eingebürgert werden und bekommt einen deutschen Pass, mit allen damit verbundenen Vorteilen. Mit dem reist er in die Türkei, von dort mit seinem alten irakischen Ausweis in sein Heimatland – und dort lässt er sich vom IS ausbilden. Auf dem gleichen Weg kommt er rückwärts problemlos nach Deutschland, wo er im Extremfall, als ausgebildeter ISKämpfer, einen Anschlag verüben kann. Ich gebe zu, das ist ein Horrorszenario. Aber de facto ist es möglich. Das müssen wir von vorneherein ausschließen.
In Baden-Württemberg sind 2016 rund 17 800 Menschen Deutsche geworden – nur in NordrheinWestfalen waren es mehr. Bundesweit waren es rund 110 000, was dem Trend der Vorjahre entspricht. Haben die Neu-BadenWürttemberger alle zweifelsfrei ihre Identität belegen können?
Die Behörden verlangen selbstverständlich einen Nachweis der Identität – wie der ausschaut, da nehmen die Behörden die aktuelle Rechtsprechung als Richtschnur. Gerade deshalb sehen wir Handlungsbedarf. Die Einbürgerung ist für den einzelnen ein ganz persönlicher Schritt. Umgekehrt ist die deutsche Staatsbürgerschaft das größte Geschenk, das der deutsche Staat einem Ausländer machen kann. Das ehrliche, aufrichtige Bekenntnis zum deutschen Staat, seinen Werten, seiner Grundordnung ist das tragende Fundament der Einbürgerung – und das setzt die sichere und eindeutige Feststellung der Identität voraus. Da können wir nicht akzeptieren, dass ein Ausländer bei seiner Ankunft in unserem Land den Staat belügt. Auf gar keinen Fall darf eine Einbürgerung dazu dienen, sich eine vollkommen neue Identität zu verschaffen.
Sie kritisieren, dass manchen Verwaltungsgerichten Zeugenbeweise oder Schulbescheinigungen als Identitätsnachweis reichen. Ist das nicht schlicht pragmatisch?
Die deutsche Staatsbürgerschaft ist ein hohes Gut, deshalb brauchen wir klare und einheitliche Regelungen, wer diese Staatsbürgerschaft erhalten kann. Hier haben wir aber eine Regelungslücke im Staatsangehörigkeitsrecht, die wir dringend beseitigen müssen. So haben wir bislang gesetzlich nicht geregelt, wie jemand seine Identität nachweist. In der Rechtsprechung wird teilweise der urkundliche Nachweis vorausgesetzt, an anderer Stelle reicht aber eine Schulbescheinigung. Es ist doch ein Irrsinn, dass wir nicht genau festgelegt haben, welche Nachweise für die deutsche Staatsbürgerschaft zu erbringen sind.
Im Zuge der Flüchtlingskrise 2015 sind zigtausende Menschen nach Deutschland eingereist, die nicht die von Ihnen geforderten Dokumente für eine Einbürgerung vorweisen konnten. Bleibt diesen damit jede Perspektive auf die deutsche Staatsbürgerschaft verwehrt?
Wir müssen zweifelsfrei wissen, wer deutscher Staatsbürger wird und wer nicht. Persönlich und im Einzelfall habe ich Verständnis für jeden, der Deutscher werden will. Aber als Innenminister und im Lichte der Sicherheitslage ist die Feststellung der Identität ganz entscheidend, nicht zuletzt um auch mit Sicherheit sagen zu können, dass jemand keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen verfolgt.
Was ist damit gewonnen, die Frist für einen Widerruf der Staatsangehörigkeit von fünf auf zehn Jahre zu erhöhen?
Der Staat muss alles gegen rechtswidrig erlangte Einbürgerungen tun und entsprechende Anreize unterbinden. Deshalb müssen wir diese Frist auch deutlich verlängern.