Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
EU-Gipfel gibt Startsignal zur Ausweitung der Brexit-Verhandlungen
Flüchtlingspolitik bleibt ein Zankapfel – Bis März eine gemeinsame Position zur Reform der Wirtschafts- und Währungsunion
BRÜSSEL - Die zweite Phase der Austrittsverhandlungen mit Großbritannien kann beginnen. Wie von der EUKommission empfohlen, beschlossen die Regierungschefs der übrigen 27 EU-Staaten, darüber zu sprechen, wie eine Übergangsfrist zwischen Austritt und neuem Partnerschaftsvertrag aussehen könnte. Bis Herbst 2018 wollen sie einen Vertrag über den Austritt Großbritanniens unter Dach und Fach bringen. „Damit beginnt ein noch härteres Stück Arbeit, als wir es bisher hatten“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Abschluss des Treffens in Brüssel.
„Die Unternehmen sind unter Zeitdruck, weil sie planen müssen“, erklärte der europäische Wirtschaftsverband Business Europe. „Wir müssen die Verhandlungen beschleunigen.“Die Unternehmen bräuchten Sicherheit und gleichmäßige Bedingungen.
Beim Thema Flüchtlingspolitik verhärteten sich die Fronten. Es könne nicht sein, „dass es in einigen Bereichen in Europa eine Solidarität gibt und in anderen Bereichen ist die Solidarität ausgeschlossen, das geht für mich nicht zusammen“, kritisierte Angela Merkel zum Ende des Treffens. „Ich habe meine Meinung nicht geändert, überhaupt nicht“, sagte Ratspräsident Donald Tusk.
Bei der geplanten Reform der Wirtschafts- und Währungsunion wollen Deutschland und Frankreich bis März eine gemeinsame Position erreichen, wie Präsident Emmanuel Macron gemeinsam mit Merkel bekannt gab. Im März soll auch ein weiterer Eurozonen-Gipfel in Brüssel Zwischenbilanz ziehen. Bei beiden Streitthemen soll möglichst bis Juni 2018 eine Lösung stehen. „Es ist klar, dass in dieser Sache keine Entscheidungen fallen können, während die Kanzlerin einen Koalitionsvertrag verhandelt“, sagte der französische Präsident. „Es gibt Einigkeit, dass wir die Bankenunion anstreben“, sagte Merkel. In der sogenannten Bankenunion ist ein gemeinsames Sicherungssystem für Sparguthaben der letzte verbleibende Schritt. „Hier werden die Finanzminister die entsprechende Schrittfolge festlegen“, kündigte Merkel an.
Italien hingegen wärmt sein altes Anliegen auf, öffentliche Investitionen und Reformprojekte aus dem Haushaltsdefizit herauszurechnen. Wer in die Zukunft investiert, soll unbegrenzt Schulden machen dürfen. Durch eine umfassende Vergemeinschaftung der Risiken will die italienische Regierung dafür sorgen, dass einzelne Länder künftig nicht mehr durch höhere Schuldenzinsen für schlechte Wirtschaftspolitik oder stagnierendes Wachstum abgestraft werden. Ein Krisenfonds soll einspringen, wenn es für eine Regierung teuer wird, sich auf dem Kapitalmarkt Geld zu beschaffen.
Macron ist zuversichtlich
Merkel und Macron ließen sich konkrete Reformideen nicht entlocken. Sie betonten, erst die Ziele definieren zu wollen, dann über die dafür nötige Finanzierung zu sprechen. Als Beispiel nannte Macron die neue gemeinsame Verteidigungspolitik. Dafür werde nun ein neuer Fonds aufgelegt. Ebenso habe man es bei der Migrationszusammenarbeit mit der Türkei und Libyen gemacht. Weitere Politikfelder könnten folgen. „Es geht mir nicht um ein neues Budget mit so und so viel Prozentpunkten des BIP“, erklärte er und rückte damit von der Idee eines eigenen Eurozonen-Budgets ab, die er in den vergangenen Monaten vorangetrieben hatte.
Beim nächsten Eurogipfel im März könne man konkrete Vorschläge diskutieren, dann habe Deutschland eine neue Regierung, meinte Macron.