Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Weniger Ausreisen und Abschiebungen
Zahl der heimgekehrten Asylbewerber gesunken – Strobl denkt an mehr Bundes-Kompetenzen
BERLIN/STUTTGART - Trotz aller Bemühungen von Bund und Ländern ist die Zahl der abgelehnten Asylbewerber, die zwangsweise oder freiwillig in ihre Heimat zurückkehren, im Jahr 2017 gesunken – auch in Baden-Württemberg und Bayern. Im laufenden Jahr reisten laut Bundesinnenministerium bis Ende November rund 27 900 Menschen mithilfe finanzieller Förderung freiwillig in ihre Heimat zurück, zum gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 50 465.
Die meisten Bundesländer schoben nach Angaben der Innenministerien in diesem Jahr bislang auch weniger Menschen ab als 2016. So hat Baden-Württemberg bis Ende November dieses Jahres rund 3200 ausreisepflichtige Menschen abgeschoben, im Vorjahr waren es 3400. Mit 2690 gab es auch im Freistaat etwas weniger Abschiebungen im Vergleich zu 2016 (3300). Bayerns Innenministerium begründete dies mit dem Rückgang der Sammelabschiebungen. Mehr Abschiebungen meldeten lediglich Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.
Gegen den Eindruck, dass nicht genug abgeschoben werde, wehrte sich Thomas Strobl (CDU). BadenWürttembergs Innenminister sagte zur „Schwäbischen Zeitung“, dass abgelehnte Asylbewerber im Südwesten und in Bayern konsequent zurückgeführt würden. Strobl zieht in Betracht, hierbei die Kompetenzen des Bundes zu erweitern: „Gerade mit Blick auf die Bundesländer, in denen die Ausreisepflicht mit weniger Konsequenz durchgesetzt wird, ist das durchaus eine Überlegung.“
Deutlicher ist ohnehin der Trend bei den freiwilligen Ausreisen: Im ersten Halbjahr 2017 gab es im Südwesten 2529, im ersten Halbjahr 2016 waren es noch 5658. Neuere Zahlen liegen aus Stuttgart noch nicht vor. In Bayern reisten laut Innenministerium bis Ende Oktober 2930 Personen freiwillig aus, 2016 waren es 6400.
Die hohe Zahl der bewilligten, finanziell geförderten Ausreisen im Jahr 2016 gehe indes vor allem auf die historisch hohen Zuzugszahlen von nach Deutschland geflüchteten Menschen zurück, betonte ein Sprecher des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf ) am Donnerstag.
BERLIN - 14 Monate sind vergangen, seitdem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine „nationale Kraftanstrengung zur Rückführung derer, die abgelehnt wurden“angekündigt hatte. Damals war die Anspannung enorm, der Streit über die Flüchtlingspolitik zermürbte die Union. Jetzt wird klar: Das Ziel, in diesem Jahr mehr abgelehnte Asylbewerber abzuschieben oder zur freiwilligen Rückkehr in ihre Heimat zu bewegen, ist nicht mehr zu erreichen.
Knapp 28 000 Migranten verließen Deutschland bis Ende November 2017 mit finanzieller Unterstützung des Bundes – im Vorjahreszeitraum waren es noch mehr als 47 000 gewesen. Auch bei den Zwangsrückführungen wird die Vorjahreszahl von 25 400 vermutlich nicht erreicht, bis Ende November lag sie bei knapp 22 200. Zahlen, die die Kanzlerin und die für die Abschiebungen zuständigen Innenminister der Bundesländer in Erklärungsnot bringen. Versagen die Behörden dabei, das Recht umzusetzen und dafür zu sorgen, dass die rund 230 000 Menschen ohne Bleiberecht tatsächlich nicht bleiben?
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge winkt ab: 2016 sei ein Ausnahmejahr bei den freiwilligen Rückkehrern gewesen, so eine Sprecherin. Denn zum einen waren im Vorjahr dramatisch viele Schutzsuchende gekommen, sodass ein Jahr später auch besonders viele wieder heimgekehrt seien – europaweit.
Für Deutschland traf das besonders bei Menschen aus den Balkanländern zu, die als sichere Herkunftsstaaten eingestuft worden waren und deren Bürger keine Chance mehr auf Asyl in Deutschland hatten. Zum anderen gab es auch bei den Abschiebungen in die Balkanregion im vergangenen Jahr einen Höchststand. „Deshalb lassen sich die Zahlen von 2016 und 2017 nicht problemlos vergleichen“, so Stephan Mayer (CSU), innenpolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion.
Steigerung bei Maghreb-Staaten
Was sich in den Zahlen nicht niederschlägt: Für mehr Schutzsuchende aus den Maghreb-Staaten ging es
2017 zurück in die Heimat. „Wenn man sich die Abschiebezahlen genauer anschaut, erkennt man ganz klar Erfolge. So konnte nach vielen unkomplizierten Abschiebungen in
2016 in diesem Jahr die Zahl der Abschiebungen in bisher wenig kooperative Länder wie die Maghreb-Staaten deutlich gesteigert werden“, erklärte Mayer im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Gerade auch mit Blick auf die überdurchschnittlich hohe Kriminalitätsrate unter diesen Staatsangehörigen ist das ein wichtiger Fortschritt.“
Auch das Bundesinnenministerium weist den Vorwurf der Untätigkeit zurück. „Wir haben viel auf den Weg gebracht, aber es bleibt auch noch viel zu tun“, so eine Sprecherin. In einem ersten Schritt waren im Februar die Finanzhilfen für freiwillige Rückkehrer erhöht worden, Anfang Dezember wurden die Prämien nochmals aufgestockt auf bis zu 6000 Euro für eine dreiköpfige Familie – das Programm gilt allerdings nur bis Februar. Hinzu kamen Beratungsangebote, Informationsportale im Netz, schärfere Abschieberegeln und die Einrichtung von Koordinierungszentren für Abschiebungen. Dennoch gingen die Zahlen – bis auf Mecklenburg-Vorpommern – in allen Bundesländern zurück. Um den Trend umzukehren, setzt die Union auf die Einrichtung von Registrierungsund Rückkehrzentren, in denen Neuankömmlinge bleiben sollen, bis über ihre Anträge entschieden worden ist. Für die Menschen aus diesen Zentren müsse der Bund dann die Rückführungen übernehmen, forderte Mayer.