Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
US-Steuerreform spaltet hiesige Unternehmerschaft
Vetter aus Ravensburg profitiert – SHW in Aalen-Wasseralfingen fürchtet Absatzprobleme
RAVENSBURG - US-Präsident Donald Trump hat eines seiner Wahlversprechen wahr gemacht und seine Steuerreform durch den Senat bekommen. Trump verspricht spürbare Steuererleichterungen für Privatpersonen und Unternehmen – vor allem werden es Gutverdiener merken. Doch welche Auswirkungen wird es für den Handel, den europäischen und den deutschen Markt haben? Hiesige Unternehmen sind sich dabei uneinig. Für die einen bedeutet es mehr Geld für Investitionen, für die anderen möglicherweise den Verlust von Kunden.
Klar ist: Die Reform hat Auswirkungen über die US-Grenzen hinaus. Auch in Deutschland setzen sich die Unternehmen damit auseinander.
Wettbewerb wird sich verschärfen
Der Heidenheimer Technologiekonzern Voith verweist auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“auf den Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA), der sich bereits in einer Stellungnahme positioniert hat. „Die große amerikanische Steuerreform wird den Standortwettbewerb zwischen den Vereinigten Staaten und Europa signifikant verschärfen. Dem wird sich auch die neue Bundesregierung konstruktiv stellen müssen“, wird VDMA-Chefvolkswirt Ralph Wiecher zitiert. Durch die US-Steuerreform wird beispielsweise die Unternehmenssteuer von 35 auf 21 Prozent gesenkt.
US-amerikanische Unternehmen können durch die Senkung der Steuersätze bei im Ausland erzielten Gewinnen mehr Geld in die Heimat zurückführen. Die Regierung erhofft sich dadurch mehr Investitionen und Arbeitsplätze. Laut der Nachrichtenagentur AFP haben einige Betriebe bereits angekündigt, dass sie aufgrund der Reform mehr Geld in die Hand nehmen werden. Der Telekommunikationskonzern AT&T soll bereits seinen Angestellten einen Bonus von jeweils 1000 Dollar (844 Euro) in den Weihnachtsferien versprochen haben. Außerdem will der Konzern im kommenden Jahr eine Milliarde Dollar mehr investieren als geplant.
Boeing-Chef ist begeistert
„Wir applaudieren und danken dem Kongress und der Regierung für ihre Führung“, sagte laut AFP BoeingChef Dennis Muilenburg. Der Flugzeugbauer kündigte bereits an, 300 Milliarden Dollar zusätzlich zu investieren. Und zwar in die Ausbildung und in Maßnahmen wie „Arbeitsplatz der Zukunft“.
Die kaufmännische Leiterin des Automobilzulieferers SHW in AalenWasseralfingen (Ostalbkreis), Andrea Scholl, ist nicht so euphorisch wie ihre amerikanischen Kollegen. Applaus spendet sie Donald Trump und dem Kongress keinen. „Ich sehe das sehr zurückhaltend. Ich kann nicht Hurra schreien, für mich ist das keine Politik“, sagt sie. Laut ihrer Einschätzung wird Amerika Billionen Dollar durch diese Reform verlieren. „Trump will doch nur seine Wahlpropaganda wahr machen.“Für den europäischen und deutschen Markt könnte sich die America-firstPolitik und die neue Reform nachteilig auswirken, schätzt Scholl. „Ob unsere Produkte da noch gekauft werden, glaube ich nicht.“
Der Geschäftsführer des Pharmaunternehmens Vetter mit Sitz in Ravensburg, Oliver Albrecht, ist gegenteiliger Meinung. Sein Unternehmen sehe die Reform nicht mit Sorge. „Im Gegenteil, wir profitieren von einer geringeren Steuerlast unseres Entwicklungsstandortes in Chicago“, schreibt er in einer Stellungnahme. Außerdem seien schnellere Abschreibungsmöglichkeiten für neue Investitionen ein interessanter Aspekt. Die USA seien für Vetter der wichtigste Markt. Er rechne außerdem nicht damit, dass die Auftraggeber von Vetter aus steuerlichen Gründen Kapazitäten in die USA verlagern werden. Darunter können zum Beispiel Räumlichkeiten, Personal oder Maschinen fallen.
Zurückhaltend formuliert dagegen ein Sprecher vom Friedrichshafener Automobilzulieferer ZF (Bodenseekreis): Die Reform beinhalte sowohl Vor- als auch Nachteile. Die finanziellen Auswirkungen seien nur schwer vorherzusagen. ZF beschäftige rund 13 000 Mitarbeitern in den USA. „Wie die meisten Unternehmen in der Automobilindustrie, folgen auch wir unseren Kunden, wenn es darum geht, neue Werke zu errichten. Steuern spielen bei diesen Entscheidungen nur eine untergeordnete Rolle.“
Der Automobilzulieferer Handtmann aus Biberach sowie der Medizintechnikhersteller Aesculap aus Tuttlingen wollten sich zur Reform des US-Präsidenten nicht äußern. Der Biberacher Mischkonzern Liebherr und der Technologiekonzern Carl Zeiss aus Oberkochen (Ostalbkreis) gaben ebenfalls keine Statements ab.