Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Ungeheuer vielseitig
DFB-Allzweckwaffe Horst Hrubesch ersetzt Steffi Jones als Frauen-Bundestrainer
FRANKFURT (dpa/SID) - Steffi Jones ist gescheitert, nun soll Horst Hrubesch als Übergangslösung die deutschen Fußballerinnen auf dem Weg zur WM nach Frankreich voranbringen. Der Deutsche Fußball-Bund hatte am Dienstag die Konsequenzen aus der sportlichen Misere der Nationalmannschaft gezogen und die bisherige Bundestrainerin Steffi Jones durch den früheren HSV-Stürmer ersetzt.
Jones muss gegen ihren Willen gehen. Ausschlaggebend für die Beurlaubung der 45-Jährigen waren das Aus im EM-Viertelfinale 2017 und der letzte Platz jüngst bei einem Einladungsturnier in den USA. „Ich bedaure diese Entscheidung des DFB sehr. Ich war mit vollem Engagement und Leidenschaft Trainerin dieser Mannschaft“, erklärte sie. „Wir befinden uns mit dem Frauenfußball in einer schwierigen Umbruchsituation und ich hätte gerne diesen Umbruch weiter engagiert gestaltet.“
Reinhard Grindel will sich bei der Suche nach einer Dauerlösung Zeit lassen. „Bei der Trainersuche wollen wir mit den Vereinen der Bundesliga jetzt eine Lösung finden, die den Frauenfußball auf eine neue Grundlage stellt“, erklärte der DFB-Präsident.
Die Potsdamer Trainer-Legende Bernd Schröder sieht in der Beurlaubung von Jones einen überfälligen Schritt. „Das war ein Notsignal, es musste etwas passieren. Es war lange klar, dass Steffi Jones die Mannschaft nicht mehr erreicht“, sagte der ExTrainer des früheren Meisters und UEFA-Cup-Siegers Turbine Potsdam.
Hrubesch könne auf jeden Fall nur eine Übergangslösung sein, sagte Schröder. „Horst Hrubesch wird für den Moment die richtigen Impulse setzen. Er muss nur an ein paar Stellschrauben drehen, um das Gefährt wieder in Gang zu bringen“, sagte der 74-Jährige. „Es wäre aber nicht schön, wenn es auf Dauer die alten Männer richten müssten.“Siegfried Dietrich, Manager des Rekordmeisters 1. FFC Frankfurt, sieht Hrubesch als idealen Interimscoach. „Ich denke, dass das für den Moment der richtige Schachzug ist. Danach hoffe ich auf eine gute Entscheidung – der Markt ist ja nicht so groß wie im Männerbereich.“
Hrubesch war 2016 in Rio Coach der Männer, die Olympiasilber holten. Zunächst muss er nun als Retter ran. Der 66-Jährige wird die Auswahl in den WM-Qualifikationsspielen im April gegen Tschechien und in Slowenien führen. Nach dem 2:3 gegen Island im Oktober ist für die deutschen Frauen die Teilnahme an der WM trotz Führung in der Qualifikationsgruppe 5 noch ungewiss.
Hrubesch ist eine Art Allzweckwaffe beim DFB. „Ich habe den Frauenfußball in den letzten Jahren verfolgt und war auch bei der EM im Sommer vor Ort“, sagte der 66-Jährige. Nach Gero Bisanz, der von 1982 bis 1996 Frauen-Chefcoach war und drei EM-Titel gewann, ist er der erste Mann auf diesem Posten. „Ich helfe in dieser Phase gerne.“Als Berater von DFB-Direktor Sport Oliver Bierhoff, der auch für die Frauen verantwortlich ist, beobachtete er den Frauenfußball quasi von Amts wegen. Bierhoff sagte, die sportliche Entwicklung habe den DFB zur Überzeugung geführt, „dass die Mannschaft eine neue Führung braucht. Wir wollen den Wechsel nutzen, um die Strukturen im Frauenfußball weiter zu professionalisieren, die Verzahnung mit dem Männerbereich zu verstärken und neue konzeptionelle Wege zu gehen.“
Hrubesch könnte sich mit seiner Auslegung der Trainerrolle, mit der er große Erfolge mit den Nachwuchsteams des DFB feierte, als Ideallösung für den Übergang erweisen. Mit seiner korrekten, geradlinigen, ehrlichen und einfühlsamen Art gewann er 2008 mit dem U18- und 2009 mit dem U21- Nationalteam die EM-Titel. Außerdem gelang ihm 2016 erstmals seit 1988 die Qualifikation mit einer deutschen Auswahl für Olympia, sie verlor erst im Finale gegen Brasilien. Nach 16 Jahren als Nachwuchs-Bundestrainer und zuletzt als kommissarischer Sportdirektor übernimmt Hrubesch nun wohl seine letzte große Aufgabe beim DFB.