Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Das ist Mädelspower
Zwölf Medaillen hat Deutschland bisher bei den Paralympics geholt – alle durch Frauen
PYEONGCHANG (dpa/sz) - Martin Härtl darf sich derzeit als etwas ganz Besonderes fühlen. Der 43-Jährige ist der einzige Mann im deutschen Paralympics-Team von Pyeongchang, der eine Medaille um den Hals trägt. Die Ehre seiner Geschlechtsgenossen rettet Härtl damit aber nicht. Denn er ist der Begleitläufer von Clara Klug; die gewonnene Bronzemedaille im ZehnKilometer-Rennen der Biathleten geht für sie in die Statistik ein.
Alle zwölf deutschen Medaillen in Pyeongchang wurden von Frauen gewonnen – so war es auch schon vor vier Jahren in Sotschi, als keiner der 15 deutschen Podestplätze von einem Mann errungen wurde. 27:0 steht es damit nun für die Frauen nach 2010. Damals holte Winter-Rekordsieger Gerd Schönfelder in Vancouver die letzte deutsche Männermedaille.
„Das ist halt Mädelspower“, sagt Clara Klug mit einem breiten Grinsen. Und auch Friedhelm Julius Beucher, der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), stellt mit einem Lachen fest: „Wir erleben bei uns Frauenpower in einer Verstetigung von besonderem Maße.“Chef de Mission Karl Quade sagt: „Wir haben in Deutschland Gleichberechtigung. Uns ist egal, von wem die Medaillen kommen. Aber wir sind mächtig stolz auf unsere Frauen.“Auf die Frage, woher die Diskrepanz kommt, gibt es keine klare Antwort. Allenfalls Ansätze. „Bei den Männern hatten wir einen harten Generationswechsel“, sagt Beucher. „Bei den Frauen konnten sich viele langsam in die Weltklasse reinarbeiten.“Auf die Frage, ob die Frauen damit Vorbild für die Männer werden können, antwortet Beucher: „Das sind sie längst.“
Die Athletinnen nehmen ihre Kollegen in Schutz. „Die Jungs haben ein viel größeres Feld“, sagt Anna-Lena Forster, Gold-Gewinnerin in der Super-Kombination. Biathlon-Siegerin Andrea Eskau glaubt, „dass der Vergleich wegen der unterschiedlichen Starterzahlen hinkt“. Während Forster und die siebenfache Paralympics-Siegerin Anna Schaffelhuber gegen nur sechs weitere Rivalinnen antreten mussten und Klug Bronze in einem Sechser-Feld gewann, starten bei den Monoski-Fahrern, männlich, mehr als 30 Athleten. „Da musst du mehr riskieren“, sagt Schönfelder. „Und dann machst du einen Fehler und bist weg.“
Manche sehen auch in der gesellschaftlichen Entwicklung einen Grund für das auffällig gute Abschneiden der Frauen. „Ein Ansatz ist vielleicht, dass es behinderte Frauen in manch anderen Ländern schwerer haben, gesellschaftliche Anerkennung zu finden oder bestimmte Dinge des Lebens zu vereinen“, sagt Ralf Rombach, Bundestrainer der nordischen Athleten. „Und da dies bei uns gewährleistet ist, haben wir im Frauenbereich Vorteile.“