Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Fall Skripal eskaliert weiter
Türkisch-russisch-iranisches Gipfeltreffen in Ankara – Weißes Haus: Abzug der Soldaten erfolgt nicht sofort
DEN HAAG (dpa) - Bei ihrer ersten direkten Konfrontation seit dem Anschlag auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal haben sich Großbritannien und Russland mit Vorwürfen überzogen. London beharrte am Mittwoch bei der Sitzung des Exekutivrats der Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) in Den Haag darauf, dass Moskau hinter der Attacke stecke und bezeichnete den Vorschlag, gemeinsam zu ermitteln, als „pervers“.
ISTANBUL - Beim Abschlussfoto reichten sie sich als Symbol ihrer Einigkeit die Hände: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, eingerahmt von seinen Kollegen aus Russland und dem Iran, Wladimir Putin und Hasan Ruhani, trat am Mittwoch in Ankara als Gastgeber eines Gipfeltreffens zum Thema Syrien auf, bei dem die USA die Rolle des Buhmanns spielten. Das türkisch-russisch-iranische Trio will bei der Beendigung des Bürgerkrieges in Syrien den Einfluss der Amerikaner so weit wie möglich zurückdrängen.
Eine Rechnung, die nicht aufgeht: US-Präsident Donald Trump rückte am Mittwoch von seiner Ankündigung eines sofortigen Rückzuges aus Syrien ab. Auch der Versuch in Ankara, die Interessenkonflikte der Syrien-Troika unter den Teppich zu kehren, gelang nicht.
Während Erdogan mit Putin und Ruhani in Ankara zusammensaß, erklärte die US-Regierung in Washington, Trump sei damit einverstanden, die 2000 US-Soldaten in Syrien vorerst nicht abzuziehen. Die USA wolle zwar ein „rasches Ende“des USMilitäreinsatzes, der Abzug erfolge aber nicht sofort. Man bleibe dem sich rasch nähernden Ziel verpflichtet, die Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) zu eliminieren, teilte das Weiße Haus mit. Vorige Woche hatte Trump erklärt, er wolle die Truppen möglichst rasch nach Hause beordern. Allerdings warnten starke Kräfte innerhalb der Trump-Regierung wie das Verteidigungsministerium vor einem überstürzten Rückzug: Dieser könnte Iran und dem IS nützen. Die US-Politik bleibt unklar: Trump forderte vom Verbündeten Saudi-Arabien, Riad müsse für einen weiteren Verbleib der US-Truppen in Syrien Geld zahlen. Trump verlangt ein größeres Engagement anderer Länder und der UNO in Syrien. Wie das funktionieren soll und welche Länder das sein sollen, ist offen.
Erdogan erneuerte in Ankara seine Kritik an der US-Unterstützung für die syrischen Kurden. Ruhani warf Washington vor, die Extremisten vom IS als „Werkzeug“gegen die Länder der Region eingesetzt zu haben. Doch dieser Versuch sei gescheitert. Das Gipfel-Trio rief zur Waffenruhe in Syrien auf und zeigte sich entschlossen, die Rückkehr von Flüchtlingen in befriedete Gebiete zu ermöglichen. Erdogan erklärte, im Norden von Syrien in Kürze mit dem Wiederaufbau beginnen zu wollen. Er kündigte ein gemeinsames türkisch-russisches Projekt zur Versorgung der Opfer der jüngsten Offensive der syrischen Regierung in OstGhuta an. Putin betonte das Ziel, ein Auseinanderbrechen Syriens zu verhindern und einen politischen Prozess für eine Nachkriegsordnung in Gang zu setzen.
Doch in Ankara wurden auch die Differenzen zwischen den Gipfelteilnehmern deutlich: Während Russland und Iran den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad stützen, unterstützt die Türkei verschiedene Rebellengruppen, die Assads Sturz anstreben. Zudem widerspricht die türkische Militärintervention gegen die Kurden in Nordsyrien dem von Putin gewünschten Ziel eines Dialogs zwischen syrischen Bevölkerungsgruppen. Ankara betont, es handele sich um eine Aktion der Terrorbekämpfung.
Appell von Ruhani
Dennoch forderte Ruhani nach Angaben der Nachrichtenagentur Isna, die Türkei solle die Kontrolle über die im März eroberte nordsyrische Region Afrin an die syrische Regierung übergeben. Erdogan hat jedoch nicht die Absicht, dem Appell zu folgen. Laut Medienberichten will die Türkei in der Gegend eine lokale Verwaltung einrichten, die den Zielen Ankaras folgt. Erdogan bekräftigte seine Entschlossenheit, im Norden Syriens weiter gegen kurdische Autonomiebestrebungen vorzugehen.