Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Papa, nein!“
In Freiburg steht ein 53-Jähriger vor Gericht, der in Teningen seine ehemalige Freundin und den gemeinsamen vierjährigen Sohn erstochen hat
FREIBURG (dpa/sz) - Es war ein schrecklicher, ein vernichtender Angriff, die Gegenwehr aussichtslos. Am Ende dieses Gewaltexzesses am 28. Juli 2017 war eine Frau tot – wie das immer wieder passiert, weil ein eifersüchtiger Mann nicht damit umgehen kann, dass eine Beziehung beendet ist. Auch das eigene Kind wurde bei dem Angriff getötet. Zu reparieren ist dann nichts mehr, keine Reue, kein Urteil macht die Toten wieder lebendig. Jetzt muss das Landgericht Recht sprechen.
An Reue, diesen Anschein machte der Angeklagte jedenfalls, scheint kein Mangel. Nachdem er sich zunächst mit über den Kopf gezogener Jacke den Blicken der Öffentlichkeit entzogen hatte, entschuldigte sich der Täter zu Prozessbeginn für die tödlichen Messerstiche auf seine ehemalige, 39 Jahre alte Freundin und den gemeinsamen vierjährigen Sohn. „Ich bitte um Verzeihung, um Vergebung“, sagte der Angeklagte. Immer wieder brach der 53-Jährige in Tränen aus, weshalb der Prozess mehrfach unterbrochen werden musste. Die Staatsanwaltschaft wirft dem gebürtigen Algerier zweifachen Mord vor. Er soll seinen Opfern im
20 Kilometer nördlich von Freiburg gelegenen 12 000-Einwohner-Städtchen Teningen vor einer Tiefgarage aufgelauert haben. Als die Frau aus der Garage gefahren sei, habe er ihren Wagen gerammt, zwei Autoscheiben eingeschlagen und mehrfach mit einem langen Küchenmesser auf Frau und Kind eingestochen.
Mehr als 15 Verletzungen
„Der Junge musste mit ansehen, wie der Angeklagte auf seine Mutter einstach. Dabei rief er: ,Papa, nein!’“, sagte Oberstaatsanwalt Tomas Orschitt. Seinen Ausführungen zufolge erlitt die 39-Jährige infolge der Messerstiche mehr als 15 Verletzungen, der Sohn zwei. Beide starben kurze Zeit später in einem Krankenhaus. Der Tat war laut Staatsanwaltschaft ein Trennungsstreit vorausgegangen. „Der Angeklagte hat die Frau von Freunden isoliert und als sein Eigentum betrachtet. Das Motiv war Rache“, sagte Orschitt. Die 39-Jährige habe sich im Frühjahr 2017 von dem Angeklagten getrennt, im Mai sei auch ein Annäherungsverbot ausgesprochen worden.
Als sich der Angeklagte zu den Vorwürfen äußert, bricht seine Stimme immer wieder. Dann vergräbt der Mann sein Gesicht in seinen Händen, ringt um Fassung. An die Tat kann er sich angeblich nur teilweise erinnern. Der eigentliche Plan sei gewesen, den Sohn nach Algerien zu entführen, sagte der 53-Jährige. Der Angeklagte hat einen deutschen Pass, stammt aber aus dem nordafrikanischen Staat. Das Messer habe er nur mitgenommen, um Druck aufbauen zu können. Mit Widerstand habe er nicht gerechnet.
Doch im Auto sei es zu einem Kampf gekommen, die Frau habe nach seinem Kopf getreten. „Dann habe ich gestochen und immer weiter gestochen. Ich weiß nicht, ob zehn-, zwanzig- oder fünfzigmal“, sagte der Angeklagte. Warum er das getan habe, wisse er nicht. Von der Tötung seines Sohnes will er gar nichts wissen: „Ich erinnere mich nicht, dass ich meinen Sohn gestochen habe.“
Für den Prozess sind bis Ende April sieben weitere Termine angesetzt. Die Schwurgerichtskammer will 22 Zeugen hören, darunter neun Polizisten, zwei Rechtsmediziner und einen psychiatrischen Sachverständigen. Am Ende der Beweisaufnahme soll es ein Gutachten zur Frage der Schuldfähigkeit geben.