Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Justiz erhöht Druck im Dieselskandal
Für die Chefs der deutschen Autobauer wird es auch in Deutschland zunehmend ungemütlich
RAVENSBURG/STUTTGART (dpa) Sie haben sich viel Zeit gelassen. Knapp drei Jahre nach dem Auffliegen des Dieselskandals in den USA kommen Behörden und die Justiz auch hierzulande so richtig in Fahrt. In immer kürzeren Abständen schlägt es derzeit bei den Großen der Branche ein. Gerade erst war erneut Audi dran, davor mal wieder VW, davor der bis dahin noch weitgehend verschonte Daimler – alles in bisher nicht gekannten Dimensionen.
Ob nun noch weitere Manager bangen müssen, lassen sich die Ermittler verständlicherweise nicht entlocken. Zuletzt war es allerdings immer so, dass sie recht kurzfristig zuschlugen, nachdem sie bekanntgegeben hatten, wen sie konkret bei ihren Ermittlungen im Visier haben. Dass dazu bei VW zum Beispiel ExVorstandschef Martin Winterkorn zählt, ist schon relativ lange bekannt, ohne dass es konkrete Schritte der Ermittler gegen ihn gegeben hätte. Anders als in den USA, wo gegen Winterkorn ein Haftbefehl vorliegt.
„Für eine Verhaftung müssen konkrete Hinweise auf Verdunkelungsgefahr vorliegen“, erklärt der Berliner Rechtswissenschaftler Carsten Momsen. Die habe die Staatsanwaltschaft Braunschweig scheinbar im Fall Winterkorn nicht als gegeben gesehen. „Das müsste die Staatsanwaltschaft auch beweisen“, sagt Momsen. Dasselbe gilt für alle anderen Mitarbeiter der betroffenen Autokonzerne.
Dass die Justiz im Dieselskandal scheinbar härter durchgreift als zuvor, das beobachtet auch Momsen. Die Justiz habe sich seiner Meinung nach von der härteren Vorgehensweise in Amerika beeindrucken lassen, die Haftbefehl erteilt hat. Hinzu kommen die negativen Reaktionen aus Deutschland mit dem Vorwurf, dass im eigenen Land nichts getan werde. Der wachsende politische Druck sei ebenfalls ein Faktor.
Überraschende Geldbuße
Eine ganz neue Front hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig vergangene Woche aufgemacht. Nach mehr als zwei Jahren Ermittlung verhängte sie gegen VW überraschend eine Geldbuße: eine Milliarde Euro wegen „Aufsichtspflichtverletzungen“ im Konzern. Und es könnten weitere folgen. Gegen Daimler zum Beispiel gibt es bislang zwar kein solches Ordnungswidrigkeitsverfahren. Es werde allerdings fortlaufend geprüft, ob eines eröffnet werde, heißt es bei der Staatsanwaltschaft. Das sei jederzeit möglich, auch parallel zu den strafrechtlichen Ermittlungen. Dazu kommt zumindest im Fall Daimler noch der mögliche Zorn des Bundesverkehrsministers. Andreas Scheuer (CSU) soll Daimler-Chef Dieter Zetsche ebenfalls mit Geldbußen gedroht haben.
Und dann ist da noch ein Richter in Stuttgart, der am Landgericht der schwäbischen Autofahrer-Metropole etliche Klagen von VW-Anlegern verhandelt. Im Herbst will er dann eine ganze Reihe hochkarätiger Zeugen in seinem Gerichtssaal sehen, darunter Winterkorn, Stadler und alles, was sonst Rang und Namen hat in der deutschen Autobranche – bis hin zu Minister Scheuer.