Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Blut statt Blumen auf der Kanne
Kostbarkeiten der Frankenthaler Porzellanmanufaktur sind derzeit in Mannheim zu sehen
MANNHEIM (dpa) - So vornehm wird in Ausstellungen sonst nicht gestorben. Edel glänzt auf einer bauchigen Porzellan-Milchkanne das Bild eines Schlachtpferds, dem Blut aus Maul und Nüstern strömt. Daneben liegt auf einer filigranen Tasse ein toter Soldat knapp über dem goldenen Zierrand, beweint von Frau und Kind. „Von Pulverdampf und Schlachtidyll“heißt die Ausstellung, die derzeit in Mannheim zu sehen ist. Bis zum 2. Dezember zeigen die Reiss-Engelhorn-Museen (rem) Porzellan der berühmten Frankenthaler Manufaktur aus dem 18. Jahrhundert – auch mit dem Krieg als Motiv.
Ein säbelschwingender Orientale, ein reitender ungarischer Pandur, ein stürzender preußischer Kürassier – mehr Dramatik passt kaum in eine Vitrine. Der Glasquader beherbergt das Herzstück der Schau: ein 43-teiliges Service, das zu den wertvollsten je in Frankenthal gefertigten Produkten gehört. „Dass ein Service dieser Größe komplett und unbeschadet die Jahrhunderte überdauert hat, ist eine absolute Seltenheit“, sagt Projektleiterin Irmgard Siede. Christian Heinrich Winterstein, einer der besten Porzellanmaler, gestaltete Kaffeekanne und Zuckerschale sowie Tassen mit Liebe zum Detail.
Martialische Bemalung
Das Service kam vor zwei Jahren als Geschenk von Traudl Engelhorn-Vechiatto an die Reiss-Engelhorn-Museen und steht erstmals im Zentrum einer Ausstellung. Dramatische Schlachten sowie Reiterkämpfe vor historischer Kulisse und rastende Soldaten: Die martialische Bemalung wirkt heute befremdlich. „Das Motiv vermittelt ein idealisiertes Bild vom Kriegsgeschehen der damaligen Zeit“, meint Siede. Bewaffnete Auseinandersetzungen seien damals nahezu allgegenwärtig gewesen. „Das Schlachtenpanorama galt zudem als Genre, in dem ein Künstler sein Können zeigen konnte“, erzählt sie.
Porzellan gilt heute für viele als Synonym für Billigware aus China. Die Ausstellung entführt in eine Zeit, in der das kostbare Produkt „weißes Gold“genannt wurde. Erst vor 310 Jahren hat Johann Friedrich Böttger in Sachsen erstmals europaweit Hartporzellan hergestellt. Bis zu dieser Entdeckung 1708 musste die Ware aus Asien importiert werden. Das Werk im pfälzischen Frankenthal wurde 1755 gegründet und produzierte vor allem für Kurfürst Carl Theodor (1724 bis 1799). Die ReissEngelhorn-Museen beherbergen die weltgrößte Sammlung aus der 1800 geschlossenen Manufaktur.
Im Scheinwerferlicht des Mannheimer Zeughauses funkeln birnenförmige Teekannen mit Schnabelausguss, eine runde Zuckerdose mit Deckel in Kugelform und schalenförmige Untersetzer. Eine blaue „6“lässt auf 1766 als Entstehungsjahr schließen. Wintersteins feinste Tüpfelmanier im Wechsel mit aquarellartigem Farbauftrag mache ihn zu einem der besten Maler der Manufaktur, schreibt Barbara BeaucampMarkowsky, ehemalige Leiterin der rem-Porzellansammlung, im Ausstellungskatalog. Projektleiterin Siede schätzt, dass alles in allem etwa 50 Arbeiter insgesamt einen Monat lang in Frankenthal am Service gewerkelt haben.
„Wir müssen uns von der Vorstellung lösen, dass das Service für ein gemütliches Kaffeekränzchen gedacht war“, sagt die Kunsthistorikerin. Ein solch kostbares Porzellangedeck sei im 18. Jahrhundert eher bei Diplomatentreffen zum Einsatz gekommen. „Und auch die Motive waren nicht ungewöhnlich. Viele Käufer waren beim Militär oder mit ihm verbunden“, meint die Wissenschaftlerin der Uni Heidelberg. Die Ausstellung sollte unter kulturhistorischen Aspekten gesehen werden.
Als Vorlage für Kampfszenen dienten den Malern Stiche und Gemälde. Porzellan mit Schlachtmotiven war in Frankenthal übrigens am teuersten. „Streublumen als Dekor waren billiger“, sagt Siede und lächelt. In Mannheim sind weitere Kostbarkeiten zu sehen, etwa ein Schachspiel und Prunkvasen sowie ein kleiner Pavillon – und der Teil eines Gebisses von 1777. „Möglicherweise war das der Beginn der Keramik-Inlays“, meint die Projektleiterin augenzwinkernd.
Die Artefakte sind gut erhalten und wirken unbenutzt – als seien sie gerade erst aus der Butter genommen worden, in die Porzellan früher oft zum Transport gelegt wurde. In dieser Zusammenstellung sei das Service ein Unikat, betont Siede. „Es ist ein Glücksfall, dass es zusammenblieb und nicht durch Antiquitätenhandel zerstreut wurde.“