Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Aus der Göge in die Formel 1
Heinz Paschen stammt aus Birkhöfe und hat für BMW Formel-1-Motoren entwickelt
BIRKHÖFE - Aus der Göge in die Formel 1: Diesen atemberaubenden Weg hat Heinz Paschen hinter sich. Er entwickelte für BMW Formel-1-Motoren und für Toyota ebenfalls Rennmotoren. Selbst fuhr er in jüngeren Jahren Motorrad-WM-Rennen. Heinz Paschen stammt aus Völlkofen-Birkhöfe und hat sich vieles selbst als Autodidakt beigebracht.
„Du musst auf der Geraden Gas geben können“, für Heinz Paschen war es der Schlüsselsatz. In jungen Jahren hatte er damit begonnen, Motorradrennen zu fahren. Doch er wollte nicht nur dabei sein. „Ich wollte Motorrad fahren. Ich wollte schnell Motorrad fahren. Ich wollte Wettbewerb machen“, erinnert Paschen sich an seine Anfänge als Motorrad-Rennfahrer.
Paschen studierte Energie- und Fahrzeugtechnik in Ravensburg. Er brachte sich darüber hinaus vieles als Autodidakt selbst bei. Das war für seine Motorradrennen auch nötig – er war „Fahrer, Mechaniker, Konstrukteur und Manager in einem“, wie Paschen bemerkt. Ein Team hatte er damals nicht hinter sich, wie das heutzutage normal ist. Doch das hinderte ihn nicht daran, erfolgreich zu sein: Er wurde beispielsweise Zweiter in der Deutschen Meisterschaft, nahm an WM- und EM-Läufen teil. Eine Person stand ihm aber in dieser Zeit und auch noch heute immer bei: Seine Lebensgefährtin Monika unterstützte Paschen bei seinen Karrieren als Rennfahrer und Motorenkonstrukteur.
Freiberuflicher Ingenieur
1990, im Alter von 37 Jahren, hörte Paschen als Rennfahrer auf. Parallel hatte er schon die Jahre davor als freiberuflicher Ingenieur gearbeitet. Toyota wurde auf ihn aufmerksam, er wurde Leiter der Motorsport-Motorenkonstruktion von Toyota in Köln, später wechselte er zu Toyota USA. Ob Rallye-WM oder die amerikanische Champ-Car-Serie – Paschen war für den Bau der ToyotaMotoren verantwortlich. Dann kontaktierte ihn BMW über einen Headhunter. Der bayerische Autobauer stieg zur Saison 2000 in das Williams-Team ein und kehrte damit in die Formel 1 zurück. „Die haben einen Motor gebraucht, mit dem sie ein Rennen gewinnen können.“
Paschen wechselte 2000 zu dem bayerischen Autobauer. Zunächst als Leiter der Konstruktion für die
BMW-Formel-1-Motoren, dann als Leiter der Formel-1-Motorenentwicklung, zuletzt war er Technischer Direktor. „Ich wollte unbedingt einen Zwölfzylinder konstruieren mit einem Drehzahlniveau über 20 000“, nennt Paschen seine Motivation für den Wechsel. Pech, dass in der Formel 1 pünktlich zu Paschens Arbeitsbeginn das Reglement geändert wurde, so wurde es am Ende „nur“ein Zehnzylindermotor.
Während die US-Amerikaner sich mehr für ihre eigenen MotorsportSerien und weniger für die Formel 1 interessieren, ist das für motorsportbegeisterte Europäer anders. „Für uns Europäer ist die Formel 1 das Nonplusultra“, sagt Paschen. Und so sei es natürlich auch sein Drang und Ziel gewesen, hier einmal dabei zu sein. Für Paschen war BMW aber nicht der erste Kontakt mit der Formel 1, bereits in den 1980er-Jahren war er für das Formel-1-Team ATS tätig gewesen.
Michael Schumacher, Sebastian Vettel, Lewis Hamilton – in der Motorsport-Berichterstattung steht immer der jeweilige Fahrer eines Formel-1-Teams im Vordergrund. Doch Heinz Paschen hat nach langjähriger Erfahrung darauf eine andere Sicht. Fahrer, Fahrzeug, Getriebe, Motor, Aerodynamik: „Das gehört alles zusammen“, sagt er. Der Rennfahrer sei nur ein Element davon, weist er auf die Bedeutung der Technik und auch des dahinter stehenden Teams hin.
Nach seinem Formel-1-Engagement für BMW kehrte Paschen zu Toyota USA zurück und konstruierte Motoren und hatte dort zuletzt im Konzern eine hohe Position inne. Als Experte für Motorenbau weiß Paschen, dass es alles andere als einfach ist, einen Motor zu bauen, mit dem ein Team auch Rennen, geschweige denn eine Meisterschaft gewinnen kann. Steige man neu ein, müsse man mit etwa fünf Jahren Durststrecke rechnen, erläutert er – diese Geduld müssen Geldgeber aufbringen. Doch irgendwann muss sich der Erfolg dann aber einstellen – ansonsten kann es eng werden für leitende Mitglieder eines Rennteams. „Sie leben und sterben mit dem Erfolg“, kommentiert er lakonisch. Erfolg hatte BMW-Williams in der Zeit von Paschen. Das Team fuhr GrandPrix-Siege ein, man wurde auch Vizeweltmeister. Auch in seiner zweiten Toyota-Zeit waren Paschens Motoren in der amerikanischen NascarSerie erfolgreich.
Besonders wichtig ist laut Paschen die Logistik beim Rennmotorenbau: Es müssten Lieferanten vorhanden sein, deren Teile qualitativ hochwertig genug sind, und diese Teile müssten auch in der erforderlichen Quantität, also Menge, zur Verfügung stehen. Aber natürlich kommt es auch auf das Zwischenmenschliche an. „Sie müssen die Kulturen verstehen“, erklärt er. „Mit den Japanern müssen Sie anders verhandeln als mit den Amerikanern.“Und grundsätzlich werde man nur akzeptiert, wenn man mit den Leuten auf Augenhöhe diskutiere, berichtet Paschen. „Das war schon ein Training fürs Leben“, blickt er auf die Arbeit mit internationalen Teams zurück.
Motorrad-WM, Rallye-WM, Formel 1, Nascar und Champ-Car in den USA, das 24-Stunden-Rennen von Le Mans – überall war Heinz Paschen dabei. In einem Artikel einer Motorsport-Zeitschrift wurde Paschen als „Superhirn“und „Technik-Genie“bezeichnet. Doch die vielen erfolgreichen Platzierungen, die er selbst als Motorradfahrer oder als Motorenkonstrukteur einfuhr, erfährt man nur auf Nachfrage von dem bescheiden auftretenden Schwaben. Er rückt etwas anderes in den Fokus: Die Begegnungen, die er erlebte. „Das war das Interessante an der Rennerei: Sie lernen andere Leute kennen“, sagt Paschen. Paschen ist heute Rentner, lebt in den USA, ab und zu ist er in seiner Heimat Birkhöfe zu Besuch. Oder er fährt beispielsweise nach Frankreich, um an einem ClassicMotorrad-Rennen teilzunehmen. Gelernt hat er übrigens den Beruf des Schriftsetzers. Gut kann er sich auch noch an seine Schulzeit in Völlkofen erinnern – gleich acht Jahrgänge waren gleichzeitig in einem Raum, heutzutage undenkbar. Gerne kommt er nach Birkhöfe zu Besuch, und stillt dann seinen Hunger nach Brezeln. „In den USA gibt es keine“, bedauert er, und lobt die „Brotkultur“, die es in Deutschland gebe.