Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Deutsche Handelskonzerne Schlusslichter bei Fairness
Oxfam-Studie: Edeka, Aldi, Lidl und Rewe kümmern sich am schlechtesten um Produzentenrechte
BERLIN - Die grünen Bohnen knackig, der Thunfisch appetitlich, der Wein für 1,99 Euro – für den Verbraucher sieht das gut aus. Doch zahlen für das Angebot, für das Geschäft von Aldi und Lidl, von Edeka und Rewe andere einen hohen Preis: diejenigen, die ernten, alles verarbeiten und liefern. Das zeigt die internationale Hilfsorganisation Oxfam in einem neuen Report zur Geschäftspolitik der 16 größten und am schnellsten wachsenden Supermärkte in Deutschland, in Großbritannien, den Niederlanden und den USA.
Entscheidendes Ergebnis: In der Lieferkette geht es vor allem um eins – einen geringen Preis. Und: die großen deutschen Lebensmittelketten bemühen sich weniger als jene in den USA oder Großbritannien um die Rechte der Produzenten.
Dabei bleibt für die Discounter und Supermärkte im Laufe der Zeit immer mehr übrig. Im Schnitt – so ließ Oxfam für den Report vom französischen Forschungsinstitut Basic errechnen – gehen 51 Prozent des Ladenpreises, den der Kunde am Ende zahlt, in die Kasse der Konzerne. Vor zwanzig Jahren war es noch 43 Prozent. Indes ist der Anteil, den Produzenten bekommen, in derselben Zeit nur von 6,3 auf 7,1 Prozent gestiegen. Dank ihrer Größe können die Handelskonzerne „umfangreich einkaufen und einen enormen Preisdruck auf Produzenten, Hersteller und Händler ausüben“, sagt Oxfam-Autorin Franziska Humbert.
Der Report mit dem Titel „Die Zeit ist reif “bietet erstmals einen Einblick in den gesamten, von wenigen Akteuren dominierten Wirtschaftszweig. Berichte über Missstände in verschiedenen Produktionen hat es schon oft gegeben. Arbeiter auf Ananasplantagen in Costa Rica, dem weltweit größten Exporteur dieser Frucht, berichteten von Atemproblemen und Schwindel, weil sie ohne Schutz mit giftigen Spritzmitteln hantieren müssten. Fischereibetriebe in Indonesien, die die Welt mit Dosenthunfisch beliefern, klagten, sie erhielten nur sieben Prozent des Erlöses, Mitte der 1990er-Jahre seien es noch 22 gewesen.
Nun haben Humbert und ihre Kollegen die Webseiten der Händler durchforstet, die öffentlich zugänglichen Informationen analysiert: Findet sich eine Grundsatzerklärung, die Menschenrechte zu achten? Fahren die Manager beispielsweise nach Costa Rica, um mit Gewerkschaftern zu reden, wie sich die Arbeitszeiten und Löhne der Ananaspflücker verbessern lassen? Fördern sie kleine bäuerliche Betriebe oder schützen sie Frauen vor Diskriminierungen?
Besonders oft wurden sie beim US-amerikanischen Walmart-Konzern fündig. Aber auch der britische Supermarkt Tesco geht laut Oxfam voran. Und die deutschen? „Die Big Four hierzulande gehören zu den Schlusslichtern im internationalen Vergleich“, sagt Humbert.
Die deutschen Lebensmittelkonzerne wollen das allerdings nicht gelten lassen. Edeka weist die „Vorwürfe von Oxfam ausdrücklich zurück“. Auch Rewe, Lidl und Aldi verweisen auf eine Reihe von sozialen und ökologischen Initiativen. Oxfam hofft nun erst einmal auf Gespräche mit den Konzernen.