Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Streit um steinalten Steinkreis
Die Briten lieben Stonehenge – um einen geplanten Autobahntunnel gibt es jetzt Ärger
LONDON - Zur Sommersonnenwende versammeln sich Tausende am berühmten Steinzirkel Stonehenge. Um das Unesco-Monument ranken sich viele Mythen – und dieser Tage entzündet sich auch Streit daran.
Die Museumsbehörde English Heritage rät zu festem Schuhwerk, einem kleinen Regenschirm (große sind verboten) sowie warmer Kleidung, schließlich wird es auf der Hochebene der südenglischen Grafschaft Wiltshire auch im Juni gelegentlich empfindlich kalt. Alles ist bereit für die Sommersonnenwende am berühmten Steinmonument von Stonehenge, das die Unesco zum Weltkulturerbe zählt. Tausende von Esoterikern und Druiden versammeln sich in der Regel hier. Dafür gibt es zwei Gründe, einen profanen und einen spirituellen: Der Donnerstag gehört neben der Wintersonnenwende zu den einzigen Tagen im Jahr, an denen Stein-Begeisterte keinen Eintritt bezahlen müssen. Und zum einzigen Mal im Jahr erreicht die Sonne die Mitte des Steinkreises.
Stonehenge ist von Mythen umgeben. Stonehenge sei eine Heil- und Pflegeanstalt für leidende Urmenschen gewesen, glauben die einen, während andere theologischen Theorien anhängen. Handelte es sich um ein urzeitliches Observatorium? Oder war der prähistorische Steinzirkel eine Grabstätte für die Berühmtheiten der Jungsteinzeit? Rätsel über Rätsel. 4500 bis 5000 Jahre alt sind die Felsbrocken, viel präziser geht es trotz modernster wissenschaftlicher Methoden nicht. In der Zeitrechnung von Archäologen und Steinkreis-Enthusiasten sind ein paar Jahrzehnte eine lächerlich geringe Zeitspanne. So lange dauert nun schon die Diskussion darüber, wie das Weltkulturerbe am besten für die Nachwelt erhalten werden kann. Ein wichtiges Problem stellt dabei die Landstraße A303 dar, welche eine aus London führende Autobahn mit einer anderen im Südwesten der Insel verbindet. Tag und Nacht donnert der Schwerverkehr am Steinkreis vorbei, was Denkmalschützern seit Langem ein Dorn im Auge ist.
Unesco-Komitee gegen Planungen
Nun hat die zuständige Behörde Highways England einen ambitionierten Plan vorgelegt: Ein knapp drei Kilometer langer, vierspuriger Tunnel, Teil eines 1,8 Milliarden Euro teuren Faceliftings für die A303, soll ab 2026 den Verkehr vom Nationalheiligtum wegführen. Der Tunnel sei zu kurz, finden die Gutachter des britischen Unesco-Komitees und befürchten negative Auswirkungen der Bauarbeiten auf andere Ausgrabungsstätten rund um Stonehenge. Einen ganz anderen Einwand erhebt der frühere „Times“-Chefredakteur Sir Simon Jenkins. Normale Briten, so der umtriebige Journalist, könnten den Steinkreis am besten von dort aus genießen, wo sie sich ohnehin gern aufhalten, nämlich im eigenen Auto. „Die Steine sehen aus einiger Distanz großartig aus. Ein flüchtiger Blick reicht aus, nähere Inspektion ist gar nicht nötig“, lautet Jenkins’ verblüffende Argumentation. Da die Verlegung der A303 in einen Tunnel Hunderttausenden von Autofahrern jährlich diesen erhebenden Augenblick verwehren würde, solle man das teure Projekt am besten begraben.
Die Debatte um den Tunnel dürfte noch ein paar Jahre dauern. Ohnehin gibt es ganz grundsätzliche Einwände gegen alle Modernisierung rund um Stonehenge. „Das war hier ein Heiligtum, und jetzt ist es eine Geldmaschine”, sagt Arthur Uther Pendragon, ein exzentrischer Brite und selbsternannte Wiedergeburt des legendären König Artus. Unklar bleibt allerdings, was der als John Rothwell geborene König eigentlich mit Stone-henge zu tun hat. Sollte es den legendären Artus denn gegeben haben, so ist er im fünften Jahrhundert unserer Zeitrechnung anzusiedeln. Hingegen wurde Stonehenge seit etwa 1600 vor Christus nicht mehr genutzt – wozu auch immer.