Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Mindestlohn steigt zweimal
Anhebung auf 9,35 Euro geplant – Preise könnten steigen
BERLIN (dpa) - Der vor mehr als drei Jahren eingeführte Mindestlohn für Millionen Arbeitnehmer in Deutschland soll ab dem kommenden Jahr gleich zweimal steigen: zum 1. Januar
2019 von derzeit 8,84 Euro auf 9,19 Euro pro Stunde und zum 1. Januar
2020 weiter auf 9,35 Euro. Das hat die zuständige Kommission aus Vertretern von Arbeitgebern, Gewerkschaften und Wissenschaft am Dienstag in Berlin beschlossen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) lobte den Vorschlag am Dienstag in Berlin: „Das ist ein guter Tag für die soziale Marktwirtschaft und für die Beschäftigten in Deutschland.“
Heil kündigte erneut schärfere Kontrollen an, da die 2015 eingeführte Lohnuntergrenze noch vielfach unterlaufen werde. Für Verbraucher kann die Mindestlohn-Anhebung teils höhere Preise zur Folge haben, etwa beim Friseur oder auch in der Gastronomie.
BERLIN - 51 Cent mehr in zwei Stufen: Die zuständige Kommission aus Arbeitgebern, Gewerkschaften und Wissenschaftlern hat am Dienstag eine Anhebung des Mindestlohns auf 9,19 Euro zum 1. Januar 2019 und auf 9,35 Euro zwölf Monate später empfohlen. „Ich finde, das ist eine richtige Steigerung“, lobt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) den Kommissionsvorschlag und stellt klar, dass die Bundesregierung das Zweistufenmodell umsetzen werde.
Die Lohnuntergrenze wurde am 1. Januar 2015 gegen massiven Widerstand der Arbeitgeber eingeführt – zum Start lag sie bei 8,50 Euro. Alle zwei Jahre überprüft die Mindestlohnkommission die Höhe und orientiert sich dabei an der Entwicklung der Tariflöhne. Ihre Empfehlung wird von der Bundesregierung per Verordnung umgesetzt. Die erste Anhebung auf 8,84 Euro erfolgte zum
1. Januar 2017. Die Kommission ist unabhängig und hat neben den Tarifabschlüssen den Mindestschutz von Arbeitnehmern, faire Wettbewerbsbedingungen und den Erhalt von Jobs im Blick. Mit ihrer Empfehlung, den Mindestlohn zum 1. Januar 2019 um 35 Cent anzuheben, folgt sie exakt der vom Statistischen Bundesamt ermittelten Tariflohnentwicklung. Die Anhebung um weitere 16 Cent ein Jahr später ist ein Novum und berücksichtigt bereits Lohnabschlüsse aus dem ersten Halbjahr dieses Jahres.
Gewerkschaften und Arbeitgeber haben sich diesmal ungewöhnlich geräuschlos auf die Anhebung geeinigt, von der rund
1,4 Millionen Mindestlohnbezieher profitieren werden. Es handele sich „um keinen politischen Mindestlohn“, da die selbstgesetzten Regeln strikt eingehalten worden seien, erklärte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter. Er rechtfertigte auch die vorgezogene zweite Stufe, diese gebe den Betrieben „Planungssicherheit“. Experten sehen das Zweistufenmodell allerdings kritisch, weil dadurch Druck auf die Tarifpartner ausgeübt werde, bei Niedriglöhnen nachzuziehen. Sozialverbände und Linkspartei halten die 51 Cent mehr ab dem 1. Januar 2020 für viel zu wenig. Der Mindestlohn bleibe ein Mangellohn, Erwerbs- und Altersarmut würden dadurch zementiert, so Linken-Bundestagsfraktionsvize Susanne Ferschl.
Scholz fordert zwölf Euro
Mit einer Forderung von zwölf Euro hatte Olaf Scholz (SPD) im November für Aufsehen gesorgt, bevor er Bundesfinanzminister wurde. Das Konzept dahinter: Durch die massive Anhebung des Mindestlohnes würden die Bezieher nicht nur deutlich mehr Geld in der Tasche haben, sondern auch deutlich höhere Beiträge in die Rentenkassen einzahlen, wodurch sich Altersarmut eindämmen ließe. „Wir brauchen einen Mindestlohn, der über 12 Euro liegt, um Armut wirksam zu bekämpfen“, verlangte etwa die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, am Dienstag. Die Arbeitgeber warnen, eine so deutliche Steigerung würde Jobs kosten und sehen den Mindestlohn nicht als Instrument der Armutsbekämpfung.
Die Umgehung des Mindestlohns bleibt ein großes Problem. Die Zahl der Bezieher lag im April 2017 bei 1,4 Millionen, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag bekannt gab. 800 000 Beschäftigte erhielten einen geringeren Lohn, obwohl sie eigentlich unter das Gesetz fallen. Nach Erhebungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) werden sogar zwei Millionen Beschäftigte unterbezahlt. Bundesfinanzminister Scholz stockt das Personal beim Zoll, der für die Überwachung zuständig ist, in diesem Jahr um 1400 auf, damit häufiger kontrolliert werden kann. Das wird von den Arbeitgebern unterstützt.