Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Wie geht’s weiter mit den Weltmeistern?
Manuel Neuer wird weitermachen, bei anderen sollte man sich nicht zu sicher sein
MOSKAU - Aufhören, wenn es am Schönsten ist. Philipp Lahm teilte Joachim Löw am Morgen nach dem WM-Triumph von Rio 2014 mit, dass das Finale gegen Argentinien (1:0) sein letztes Länderspiel gewesen war. Der Kapitän ging von Bord – mit allen Ehren. Ein perfekter Zeitpunkt, aufzuhören.
Manuel Neuer (32) hieß der Kapitän in Russland, er wird als Kapitän der Gescheiterten in die Fußballannalen eingehen – wobei: an ihm lag das Vorrundenaus nicht. Mit diesem blamablen WM-Ausscheiden im Kopf wird der Bayern-Torhüter sicher nicht aufhören wollen, zu lange hatte er sich nach seinen drei Fußbrüchen gequält, um rechtzeitig vor dem Turnier sein Comeback zu feiern. Entscheidend wird für Neuer sein, wie sein Körper in den kommenden Jahren mitmacht. „Ich will so lange spielen, wie ich merke, dass ich gebraucht werde“, meinte er vor dem Start ins russische Abenteuer. Das nächste Turnier hat Neuer im Blick („Ich möchte ja noch Europameister werden“), die nächste (Winter)-WM in Katar eher nicht: „Ich weiß nicht, ob ich 2022 noch dabei sein werde.“Neuer wird weitermachen – doch wie sieht es mit den anderen Weltmeistern von 2014 aus? Abgesehen von Julian Draxler und Matthias Ginter, die vor vier Jahren in Brasilien zu jung und daher lediglich Ergänzungsspieler waren. Wer macht weiter, wer hört auf?
Jérôme Boateng (29 Jahre/172 von 270 Minuten in Russland gespielt):
Fehlte gegen Südkorea nach Gelbrotsperre, konnte zuvor nicht überzeugen. Falls er den FC Bayern diesen Sommer noch Richtung Premier League verlässt, könnte es sein, dass er sich voll auf die neue Herausforderung konzentrieren möchte und nach 73 Länderspielen Schluss macht.
DFB-Ade zu 70 Prozent. Mats Hummels (29/180):
Hatte das 1:0 gegen Südkorea auf dem Kopf – vertan. Moserte und meckerte nach dem Mexikospiel. Ein Mann klarer Worte, der beim einzigen Sieg gegen Schweden wegen Halswirbelbeschwerden fehlte. Der Bayern-Profi („Das ist die größte Enttäuschung meiner Karriere“) gilt als sehr ehrgeizig.
Wird weitermachen. Zu 100 Prozent.
Sami Khedira (31/118):
Konnte gegen Mexiko und Südkorea nie überzeugen, der Juventus-Profi scheint nicht mehr das Niveau und Kraft für die Sechserrolle auf Weltniveau zu haben. Dürfte wohl den Weg für jüngere Kräfte wie Ilkay Gündogan, Julian Weigl und andere freimachen.
Hört zu 90 Prozent auf. Toni Kroos (28/270):
Der DFBSpielmacher mit dem einzig lichten Moment, dem 2:1-Freistoß gegen Schweden. Sollte und wollte einer der Stars des Turniers werden, bekam viel Gegenwind nach seiner Schelte, dass die Heimat die Mannschaft zu wenig unterstützt. Macht
zu 60 Prozent weiter. Thomas Müller (28/207):
Diese WM war nicht seine. Tauchte ab, keine Torgefahr. Sein bester Auftritt war der zwischenzeitliche Laune-Aufheller auf einer Pressekonferenz in Sotschi. Wird weitermachen – jedoch sollte Löw oder dessen Nachfolger ihn nicht mehr auf dem rechten Flügel einsetzen.
Bord zu 99 Prozent. Mesut Özil (29/180): Weiter an
Traf vor der WM den umstrittenen türkischen Staatspräsidenten Erdogan. Es hagelte Kritik, der Spielmacher von Real Madrid schwieg – auch innerhalb der Mannschaft vermisste man eine Stellungnahme. Auf dem Platz gegen Mexiko nicht gut, aber noch einer der Besseren, gegen Südkorea sogar der wertvollste von schwachen Deutschen. Gute Passquote, aber kein Punch. Beim besten Spiel gegen Schweden fehlt er, wurde geschont.
Rücktritt scheint möglich.
Dann hat er seine Ruhe.