Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Swingerclub lockt sogar Schweizer an
Seit 2013 betreiben Sandra und Andreas Seitz das Waldhaus.
SIGMARINGEN - Viele Sigmaringer fahren häufig dran vorbei, die wenigsten waren wohl schon mal drin – und wenn, werden sie es kaum zugeben: Seit 2005 gibt es am Nollhofkreisel einen Swingerclub, seit 2013 pachten Andreas und Sandra Seitz aus Balingen das Waldhaus. Früher war es ein Landgasthof. Vieles erinnert im Inneren noch an ein gut bürgerliches Gasthaus – kombiniert mit irritierenden Brüchen: Die Tanzstange neben der Bar oder zahlreiche Separées, auf 600 Quadratmeter verteilt, in denen sich die Gäste vergnügen sollen. Am Eingang gibt es Umkleiden mit Spints, in denen die Kunden „ihr altes Leben einschließen“können, wie es Inhaberin Sandra Seitz formuliert. Ihr Mann Andreas (44) war zuvor in der Gastronomie tätig, seine Frau ist 41 Jahre alt und arbeitete bei einer Krankenkasse – „ich habe mich krankgearbeitet, ich bekam Burn Out“, sagt sie. Im Erotikbetrieb, in dem sowohl Paare als auch Solo-Gäste entgegen der gesellschaftlichen Konventionen ihre Fantasien ausleben können, haben die beiden ihre Erfüllung gefunden.
Wie feiert der Swingerclub den Tag des Kusses, der ja heute ist?
Sandra Seitz: Es war uns gar nicht bewusst, dass es den gibt. Hier ist alles erlaubt, je nach Vorliebe. Manche küssen gern, für andere ist das zu intim – die wollen das nur mit ihrem Partner teilen.
Wie viele kommen denn mit Partner her, wie viele allein?
Sandra Seitz: Es sind etwa 70 Prozent Paare im Club. Der Rest kommt solo – vorwiegend Männer, aber auch die einzelnen Damen entdecken immer mehr die Vorzüge eines Clubbesuchs. Die Frauen sollen sich ja wohlfühlen.
Gibt es Regeln oder Tabus?
Sandra Seitz: Es gibt zwei Regeln: ,Alles kann, nichts muss’ – manche kommen auch nur zum Zuschauen, umgekehrt bedeutet das auch: Allein der Eintritt bedeutet kein Anrecht auf Sex. Und: ,Nein heißt nein’. Das funktioniert. Die Frau ist hier die Königin, sie entscheidet. Uns ist es wichtig, dass Frauen respektvoll behandelt werden. Wir mussten noch nie einen Gast rauswerfen oder die Polizei holen. Das ist in normalen Bars anders. Bei uns geht es gesittet zu. Die Leute kommen mit guter Laune hierher und trinken meist auch nicht so viel Alkohol. Die meisten müssen ja auch wieder heimfahren.
Wie groß ist Ihr Einzugsgebiet?
Sandra Seitz: Die wenigsten kommen aus Sigmaringen. Unser Einzugsgebiet reicht bis Stuttgart, die Schweiz oder Österreich. Deswegen haben wir auch nur drei Tage die Woche – am Wochenende – auf. Unter der Woche rechnet es sich sonst nicht. Wir haben etwa 1200 Stammgäste. Gruppenbildung spüren wir hier nicht. Viele Anfänger machen den Fehler, zum Swingen weit weg zu fahren – das ist, wie wenn Sie Urlaub auf Mallorca machen. Da begegnen Sie mit Sicherheit einem Sigmaringer.
Auf Ihrer Website werben Sie mit Worten wie „liebevoll eingerichtet“und „wohlfühlen“– wollen Sie damit dem Ruf des „SchmuddelEtablissements“begegnen?
Sandra Seitz: Ja. Im Fernsehen wird das Thema immer auf eine obszöne Ebene gehoben, mit Reportagen in zwielichtigen Milieus. Dabei finden hier sehr niveau- und respektvolle Begegnungen statt. Masken tragen unsere Gäste auch nicht, das ist ein Klischee. Ich habe lang nicht verstanden, warum Frauen alleine in einen Swinger Club gehen. Aber heute weiß ich: Geschützter als hier ist man nirgends. Wenn man als Frau einen Mann mit zu sich nach Hause nimmt, wird man ihn vielleicht nicht mehr los. Wenn man mit ihm nach Hause geht, weiß man letztendlich nicht, was dort passieren wird. Hier ist das anders.