Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Frankreich trifft auf Belgien im Halbfinale
Kevin de Bruyne führt die Geheimfavoriten aus dem kleinen Land in Westeuropa zum 2:1-Coup über Brasilien
NISCHNI NOWGOROD/KASAN (dpa) - Frankreich hat als erstes Team das Halbfinale der Fußball-WM in Russland erreicht. Die Elf von Trainer Didier Deschamps setzte sich am Freitag in Nischni Nowgorod gegen Uruguay mit 2:0 (1:0) durch und trifft als nächstes auf das Nationalteam von Belgien. Das Team von Trainer Roberto Martínez gewann am Freitag in Kasan gegen die Nationalauswahl von Brasilien mit 2:1 (2:0).
KASAN (SID) - Neymar kauerte geschlagen und gedemütigt auf dem Rasen, während sich Kevin De Bruyne vor den belgischen Fans in Siegerpose schmiss und seine Freude in den Nachthimmel über Kasan schrie: Der Rekordweltmeister und sein Ausnahmekünstler sind entzaubert, Belgiens goldene Generation nimmt nach der Sensation ihren ersten großen Titel ins Visier. Die bis dato überzeugende Selecao unterlag in einem spektakulären WM-Viertelfinale, das gut und gerne auch als Endspiel hätte durchgehen können, den Roten Teufeln 1:2 (0:2). Damit fährt auch Neymar nach Hause – als dritter Weltstar nach Lionel Messi und Cristiano Ronaldo.
„Unglaublich, unglaublich“, jubelte Belgiens Trainer Roberto Martinez: „Das ist etwas ganz Besonderes, diese Jungs verdienen es, in der Heimat als etwas ganz Besonderes gefeiert zu werden.“Der ehemalige Leverkusener Renato Augusto, als Einwechselspieler Schütze des Anschlusstreffers der Brasilianer (76.), sagte: „Es ist ein trauriger Tag. Das erste Gegentor hat uns ein bisschen aus dem Konzept gebracht.“
Belgien mit seiner kaum zu stoppenden Offensivtroika Kevin De Bruyne, Romelu Lukaku und Eden Hazard schoss sich vor 42 873 Zuschauern in die Rolle des Top-Favoriten. „Entscheidend waren die acht defensiven Leute, so konnten wir drei vorne wirbeln“, sagte De Bruyne: „Die erste Halbzeit war nahezu perfekt.“Im zweiten Halbfinale der belgischen WM-Geschichte nach 1986 trifft das Team von Martinez am Dienstag (20 Uhr) in St. Petersburg auf die Nachbarn aus Frankreich. Gegen Kylian Mbappé und Co. dürfen sich die Zuschauer auf ein weiteres großes Schauspiel freuen.
Gegen Brasilien profitierte Belgien nach einer chaotischen Anfangsphase von einem Eigentor von Fernandinho (13.), ehe De Bruyne (31.) seine Freiheiten in der Offensive gekonnt nutzte. Weil Belgien seine Konter nicht konsequent zu Ende spielte, erzwang Renato Augusto durch seinen Kopfballtreffer eine packende Schlussphase mit vielen Chancen, aber wenig Präzision im Abschluss. Thibaut Courtois hielt in der Nachspielzeit (90.+4) grandios gegen Neymar.
Coach Martinez hatte De Bruyne nach dem glücklichen 3:2 im Achtelfinale gegen Japan hinter die Spitzen beordert – es zahlte sich aus. Ebenso wie eine taktische Umstellung nach zehn turbulenten Minuten. Thomas Meunier rückte rechts in die Abwehr, an der Viererkette zerschellten fortan die Ballkünstler Neymar, Willian und Gabriel Jesus. Die Türme in der Schlacht: Vincent Kompany und Marouane Fellaini, der ebenso wie Nacer Chadli nach seinem Treffer gegen Japan in die Startelf gerückt war.
Thiago Silva trifft den Pfosten
Allerdings spielte Belgien auch die Führung in die Karten. Wer weiß, wie sich das Spiel entwickelt hätte, wenn Thiago Silva (8.) nach einer Ecke aus zwei Metern nicht den Pfosten, sondern ins Tor getroffen hätte. Auch Paulinho (10.) kam nach einem ruhenden Ball völlig frei zum Schuss, traf den Ball jedoch nicht richtig. Neymar bemühte sich, doch beinahe hätten die Belgier ihren Vorsprung vor der Pause noch ausgebaut. De Bruyne (41.) mit einem Freistoß und Kompany (42.) mit der Hacke scheiterten an Alisson.
Neymar und Kollegen, die sich bis zum Viertelfinale kaum eine Blöße gegeben hatten, müssen damit weiter auf den sechsten WM-Titel warten. Zwar zerbrachen sie nicht in Einzelteile wie beim 1:7 im Halbfinale der Heim-WM 2014 gegen Deutschland, doch mehr als eine Schwalbe (52.) fiel auch Neymar lange nicht ein. Schiedsrichter Milorad Mazic zeigte dabei ebenso wenig auf den Punkt wie drei Minuten später bei einem Foul von Kompany an Jesus. Trotz Rücksprache mit dem Videoschiedsrichter. Da hatte Belgien Glück.