Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Gegner aus dem eigenen Land
Frankreich-Legende Henry verrät Belgien seine Tricks
MOSKAU (SID) - Wie wird man Weltmeister? Thierry Henry muss es wissen. Er war schließlich dabei, als Frankreich 1998 den Titel im eigenen Land gewann. Dieses Wissen ist wertvoll. „Er hat 1998 die WM und 2009 die Champions League gewonnen. Er weiß, was die Spieler fühlen, er kennt den Druck, der auf ihnen lastet“, sagt Roberto Martinez. Doch Roberto Martinez ist Trainer der belgischen Nationalmannschaft und Henry ist sein Assistent. Nun soll Henry auch noch helfen, sein Frankreich zu besiegen. Ausgerechnet.
Ob vor dem Spiel in St. Petersburg (Dienstag, 20 Uhr MESZ/ARD und Sky Deutschland) zwei Herzen in der Brust von Henry schlagen? Schwer zu sagen, denn er selbst schweigt. „Wenn wir gewinnen“, glaubt der französische Abwehrspieler Lucas Hernandez, „wird er auch glücklich sein. Denn am Ende ist er immer noch Franzose.“Die Franzosen mögen das anders sehen.
Wissen zum Schnäppchenpreis
Denn in seinem Heimatland polarisiert Henry weiter. Dort halten sie ihm noch immer das Handspiel im Play-off-Rückspiel gegen Irland 2009 vor. Es brachte Frankreich zur WM 2010, aber eben auf unanständige Weise. Zum Vorwurf gemacht wird Henry auch seine angeblich mangelnde Nähe zu seinem Heimatland. Er wurde in Les Ulis im Umland von Paris geboren, doch er lebt in London, jettet durch die Welt und kommt selten bis gar nicht nach Frankreich.
Die Belgier sind begeistert von Henry. Er soll den belgischen Stürmern helfen, im Strafraum die richtigen Entscheidungen zu treffen. Er ist zudem für Standardsituationen verantwortlich. „Thierry liebt es, über seine Erlebnisse zu sprechen“, erklärt Stürmer Michy Batshuayi, bisher Borussia Dortmund: „Er ist ein Fußball-Liebhaber. Er erzählt gerne von dem, was er gemacht hat, wie es war, seine erste WM und all das. Er hat mir viele Tipps gegeben, wie ich mich verbessern kann.“
Andere sehen Henry bereits auf dem Weg zu einem großen Trainer, weil er so akribisch arbeitet. „Er ist eine Legende, ein ganz großer Spieler. Es ist gut, einen wie ihn dabei zu haben. Er achtet sehr auf Details“, sagt der ehemalige Dortmunder Adnan Januzaj. Diese Tipps waren es womöglich, die Eden Hazard, Romelu Lukaku oder Kevin De Bruyne bei der WM 2014 und EM 2016 fehlten und sie jetzt, nach dem Sieg gegen Brasilien (2:1) sogar um den Einzug ins Finale kämpfen lassen.
Im Tagesgeschäft bleibt Henry dennoch im Hintergrund. In einem seiner höchst seltenen Interviews betonte er seinen Status als „T3“, als zweiter Vertreter von Martinez. „Ich bin T3, zumindest im Moment. Was ich später einmal sein werde? Daran denke ich derzeit nicht“, sagte er RTBF. Dafür, dass er weltmeisterliches Wissen vermittelt, ist er jedenfalls ein Schnäppchen für die Belgier: Henry erhält 8000 Euro pro Monat und spendet das Geld für wohltätige Zwecke. Dennoch bleibt die Vorstellung von Henry auf der anderen Seite nicht nur für Frankreichs Stürmer Olivier Giroud seltsam: „Es ist bizarr, ihn auf der Gegenseite zu sehen.“