Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Die Zeitungen schlagen zurück
Seit Trump an der Macht ist, sind Qualitätsmedien in den USA wieder gefragt
WASHINGTON (dpa) - Donald Trump biegt sich seine eigene Medienwelt zurecht. Er bevorzugt regierungstreu berichtende Organisationen und führt Krieg gegen den Rest. Und auch wenn die Tochter des US-Präsidenten am Donnerstagabend ihrem Vater widersprochen hat: Für ihn sind Medien, die in ihrer Berichterstattung nicht seine politische Richtung einschlagen, weiterhin „Feinde des Volkes“. Doch diese „Feinde des Volkes“schlagen erfolgreich zurück. Investigativer Journalismus ist in den USA wieder gefragt.
Es ist eine der gewagteren Ansagen von Donald Trump: Die „Washington Post“und die „New York Times“werde es in sieben Jahren nicht mehr geben, prophezeite der US-Präsident jüngst auf Twitter. Die „Washington Post“sei ohnehin nur eine Propaganda-Maschine für den Onlinehändler Amazon, mit dem sich die „Post“den Besitzer teilt: Jeff Bezos aus Seattle, mit einem Vermögen von 149 Milliarden Dollar reichster Mensch der Welt. Und vor allem: Viel reicher als Donald Trump, dessen Vermögen von Forbes zuletzt mit 3,1 Milliarden Dollar angegeben wurde – Nummer 766 auf der Liste.
Seit Bezos die altehrwürdige „Washington Post“vor fünf Jahren übernommen hat, geht es dort aufwärts – ganz im Gegensatz zu Trumps Prognosen. Seine Präsidentschaft trieb dem Blatt und seinen elektronischen Ablegern zusätzliche Leser zu. „Ich verstand nichts von Zeitungen, aber ich verstand etwas vom Internet“, hatte Bezos 2014 rückblickend gesagt. Er baute den Verlag um, ohne sich in redaktionelle Entscheidungen einzumischen.
Mit dem Multi-Milliardär, dem neben der „Washington Post“auch 16 Prozent der Amazon-Aktien gehören, führt Trump einen Privatkrieg. Vielleicht, weil durch den Aufstieg des Onlinehandels klassische Einkaufsmeilen an Bedeutung und Umsatz verlieren, darunter auch die Fifth Avenue in New York, wo mit dem Trump-Tower das Filetstück von Trumps Immobilienvermögen steht.
Immer wieder erneuert Trump seine These: Medien wie das Hauptstadtblatt, die „New York Times“, und der Sender CNN seien „Fake News“– und damit „Feinde des Volkes“. Mit „New York Times“-Herausgeber A. G. Sulzberger traf sich Trump jüngst. Sulzberger erklärte, dass er Trumps Sprachwahl „nicht nur für polarisierend, sondern für zunehmend gefährlich“hält.
Trump unterteilt die Medienlandschaft in gut und böse – aus seiner ganz persönlichen politischen Sicht. Die „Washington Post“und Bezos sind böse. Fox News und dessen Besitzer Rupert Murdoch sind gut. Die Murdoch-Kanäle sind inzwischen zu einer Art Haussender für Trump geworden. Rupert Murdoch ist im Weißen Haus ein gern gesehener Gast.
Das vielzitierte Interview, in dem Trump in Großbritannien über Theresa May herziehen durfte, bekam mit dem Boulevardblatt „The Sun“eine Murdoch-Zeitung. Nach dem Gipfel in Helsinki führte Fox News Exklusivinterviews mit Wladimir Putin und mit Trump. Wie eng die Verflechtungen sind, zeigt ein Blick auf Personalien. Mit Heather Nauert ist nicht nur die Sprecherin des Außenministeriums eine frühere Fox-Moderatorin. Der neue Kommunikationschef im Weißen Haus, Bill Shine, kommt ebenfalls aus dem Hause Murdoch.
Shine wurde jüngst vom Fox-Journalisten Sebastian Gorka interviewt: Der frühere Mitarbeiter des heutigen ungarischen Regierungschefs Viktor Orban war außenpolitischer Berater im Weißen Haus, bevor er dort im Fahrwasser von Steve Bannon die Tür gewiesen bekam und bei Murdoch einen neuen Unterschlupf fand. Wie der Fox-Rechtsaußen Sean Hannity ist Gorka noch immer im Regierungsumfeld zu finden, etwa beim Gipfel von Präsident Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un in Singapur.
Das Imperium von Rupert Murdoch ist bei Weitem nicht die einzige Medienmaschinerie, die sich für den Präsidenten und seine Regierung ins Zeug legt. Das Medienkonglomerat von Julian Sinclair ist nach Meinung von Experten kaum weniger mächtig. Mit rund 200 lokalen Fernsehstationen ist Sinclair das größte Mediennetzwerk der Vereinigten Staaten.
Vierte Gewalt spielt ihre Macht aus
Doch das Zurechtbiegen der Medienszene in den USA unter Mitwirkung der Regierung ist nur ein Teil der Wahrheit. Investigativer Journalismus der Marke „Washington Post“oder „New York Times“blüht unter Trump geradezu auf. Fast alle Skandale um den Präsidenten wurden von liberalen Medien oder mit deren Hilfe in Gang gesetzt. Die Vierte Gewalt spielt ihre Macht eindrucksvoll aus. Während die USA auf dem weltweiten Index der Pressefreiheit weiter sinken, profitieren Qualitätsmedien auch wirtschaftlich von der Trump-Show.
Die „Washington Post“übersprang im September vergangenen Jahres die Schallmauer von einer Million Onlineabos. Die „New York Times“legte im ersten Amtsjahr Trumps bei der Onlineausgabe nach Darstellung des Pew Research Centers um 42 Prozent zu, das „Wall Street Journal“demnach um 26 Prozent.