Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Enormer Handlungsbedarf
So richtig viel ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht geschehen. Zu Beginn dieses Jahrhunderts hatte die CDU-Politikerin Rita Süssmuth Ideen für ein Einwanderungsgesetz vorgelegt. 2005 trat dann ein Zuwanderungsgesetz in Kraft, das sehr vorsichtig formuliert war, um definitiv niemanden aufzuschrecken. Nüchtern betrachtet waren die Denkansätze der Süssmuth-Arbeitsgruppe guter Lehrstoff für Seminare an deutschen Hochschulen, aber ein echtes Umdenken der Politik in Einwanderungsfragen kam nicht zustande. Dass der staatliche Handlungsbedarf in den vergangenen Jahren jedoch enorm gewachsen ist, dürfte jedem klar sein, gleich ob Optimist oder Pessimist in Zuwanderungsfragen.
Das Eckpunktepapier zur Einwanderung vom baden-württembergischen Sozialminister Manfred Lucha könnte eine Basis für einen konstruktiven Dialog sein. Es ist unaufgeregt und ein Vorschlag zu mehr Besonnenheit. Es fordert von Migranten, die bereits in der Bundesrepublik leben, einen klaren Integrationswillen und bietet ihnen im Gegenzug dafür tatsächlich die Chance, langfristig im Lande Fuß zu fassen. Luchas Positionen, die im Übrigen denen des NRW-Integrationsministers Joachim Stamp (FDP) ähneln, werden von zahlreichen Mitstreitern unterstützt. Es sind die Kirchen, der Mittelstand und die Handwerkskammern, deren Vertreter nicht gerade für radikales oder irrationales Denken bekannt sind.
Hier im Südwesten machen sich Unternehmer wie die Vaude-Chefin Antje von Dewitz oder der Brauereibesitzer Gottfried Härle für ein Bleiberecht für integrierte Flüchtlinge stark. Sie haben eine Unternehmerinitiative gegründet, der auch der schillernde Trigema-Patriarch Wolfgang Grupp und der Energiekonzern EnBW angehören. Diese Aktionsgruppe verfügt über gute Drähte zu Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU). Es gibt also genügend Signale, dass parteiübergreifend und für bundesdeutsche Verhältnisse zügig eine neue Rechtsgrundlage für Einwanderung und Integration erarbeitet werden kann.