Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Ein Hauch von Venedig
Bei Schloss Nymphenburg in München kann man eine Gondel besteigen
Sanft gleitet die Gondel durchs Wasser. Außer ein paar Enten gibt es auf dem Mittelkanal ansonsten keine schwimmende Konkurrenz. Mit jedem sanften Ruderschlag von Gondoliere Maximilian Koch wird Schloss Nymphenburg in München ein bisschen kleiner. Die kunstvollen Details des barocken Baus verschwimmen bald in der Ferne, auch der Großstadttrubel scheint hier auf dem Wasser inmitten des Schlossparks ziemlich weit weg. 700 Kilo schwer und elf Meter lang ist die elegante, schwarze Gondel aus Venedig. Sie trägt den Namen von Kochs Ehefrau: Simone.
Gondelfahren in Bayern? Das hat durchaus Tradition, wie Koch erzählt. Blättern wir ein wenig im Geschichtsbuch: 1662 wurde Max Emanuel als langersehnter Thronerbe des bayerischen Kurfürstenpaars Ferdinand Maria und Henriette Adelaide von Savoyen geboren. Dies gab Anlass zur Gründung des Schlosses Nymphenburg als Sommerresidenz. Unter Max Emanuel selbst wurde es dann wesentlich erweitert – unter anderem um ein Kanalsystem. Und auf diesen Kanälen war die höfische Gesellschaft damals in venezianischen Booten unterwegs. Zu Hochzeiten müssen an die 90 Boote gefahren sein – Ende des 18. Jahrhunderts war es dann damit vorbei. Bis die Gondel im 21. Jahrhundert wieder zurückkehrte.
Maximilian Koch ist dem Wasser von jeher verbunden. Als Regattasegler in der Solingklasse hat er Europaund Weltmeistertitel geholt, früher tagtäglich trainiert. Die Hochzeitsreise brachte ihn und seine Ehefrau Ende der 1990er-Jahre nach Venedig. „Mich hat immer interessiert, wie man diese Gondeln wendig und elegant bewegen kann“, berichtet er. Schließlich hat er es sich von AltGondoliere Ingo Stahl auf dem oberbayerischen Wörthsee beibringen lassen. „Geradeaus zu fahren hat man in ein paar Tagen gelernt – aber was die Feinheiten angeht, da lernt man jeden Tag noch dazu“, erzählt er. Zum einen sei die Gondel sehr windempfindlich. Und Gewicht müsse optimal verteilt werden.
Mit geschultem Auge weist Koch den Passagieren die Plätze im Boot zu. Lehnt sich einer später woanders hin oder verlässt seinen Platz, ist das gleich zu spüren. Da der Kanal allerdings nur 60 Zentimeter tief ist, ist die Angst vorm Kentern bei der halbstündigen Fahrt nicht besonders groß. Links und rechts des Kanals ziehen Bäume vorbei, die Fahrt führt bis zur Brücke, die die PagodenburgSeite mit der Badenburg-Seite verbindet. Dann wendet der Gondoliere, und mit Blick aufs Schloss treten wir den Rückweg an.
Ein Ort für Heiratsanträge
Was an Bord einer Gondel so alles passiert? Die romantische Kulisse gibt regelmäßig den Rahmen für Heiratsanträge. „Einmal war die Frau so baff und hat nur gestammelt ,Was soll ich denn sagen? Was soll ich denn sagen?’“, erinnert sich Koch schmunzelnd. Er habe ihr gesagt, es gäbe ja nur zwei Antworten. Sie hat sich dann doch für das „Ja“entschieden.
Pro Saison befördert Koch rund 2000 Passagiere in seiner Gondel. Sein prominentester Gast war der irische Sänger Chris de Burgh, der an Bord dann „Don’t Pay the Ferryman“zum Besten gegeben hat. Der ein oder andere Stammgast bringt auch schon mal einen gebuchten Tenor mit – denn Singen fällt nicht in die Zuständigkeit der Gondoliere.