Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Für Alkoholverbote zu wenig Straftaten
Bestehende Regelungen wie in Friedrichshafen stehen rechtlich auf wackeligen Beinen
STUTTGART - Kommunen sollten gegen Alkoholexzesse in der Öffentlichkeit vorgehen können. So die Idee hinter der Änderung des Polizeigesetzes im Dezember 2017. In der Realität sind die Hürden für die sogenannten Alkoholkonsumverbotszonen allerdings so hoch, dass sie laut Gemeinde- und Städtetag keine kleinere Kommune umsetzen kann. Manche Gemeinden, etwa Friedrichshafen, sprechen trotzdem seit Jahren Verbote aus – diese sind aber mittlerweile leicht angreifbar.
Lange wurde in Ravensburg über ein Alkoholkonsumverbot diskutiert. Wie die „Schwäbische Zeitung“berichtete, fühlen sich Innenstadtbewohner gestört von nächtlichen Gelagen und dem dabei verursachten Lärm und Müll. Gerade im Sommer gebe es Problembereiche, sagte ein Sprecher. Ein Alkoholverbot sei jetzt allerdings vom Tisch. „Die Rahmenbedingungen sind sehr streng. Es passieren zum Beispiel zu wenig Straftaten.“
Dabei hat die Landesregierung mit der Gesetzesänderung Kommunen in die Lage versetzen wollen, „alkoholbedingten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten an örtlichen Brennpunkten wirksamer entgegenzutreten“, heißt es im Gesetzentwurf. Eine Regelung, die auch die Polizei begrüßt. „Aufgrund der Zunahme von Gewalttaten gegen Polizeibeamte, insbesondere unter Alkoholeinwirkung, ist dies ein gutes Instrument, präventiv entgegenzuwirken“, sagte Andreas Heck, stell- vertretender Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei BadenWürttemberg. Allerdings: Weder dem Städte- noch dem Gemeindetag ist eine Kommune in Baden-Württemberg bekannt, die die Möglichkeit zum sogenannten Alkoholkonsumverbot nutzt. Die Kommunen müssen das aber auch nicht melden.
Hohe Hürden
Im Gesetzestext steht zwar lediglich, dass Verbotszonen dort einsetzbar sind, wo es häufiger als im sonstigen Gemeindegebiet zu alkoholbedingten Straftaten kommt, wo regelmäßig eine Menschenmenge anzutreffen ist, und wo mit anderen polizeilichen Maßnahmen keine nachhaltige Entlastung erreicht werden kann. Die Urteilsbegründung legt allerdings gewisse Schwellenwerte fest. Um einen Ort als „Brennpunkt“auszuweisen, müssen beispielsweise regelmäßig mehr als 50 Personen vor Ort sein – eine zu hohe Zahl für kleine Gemeinden, findet der Gemeindetag. Zumal auch bereits fünf bis zehn Störer ausreichen würden, um durch Alkoholgelage permanent für Unruhe zu sorgen.
Ein Beispiel dafür ist der Bereich rund um die Biberacher Stadthalle. Nach Berichten der „Schwäbischen Zeitung“kommt es dort regelmäßig zu Trinkgelagen und damit verbunden zu Vandalismus und Lärmstörung. Über ein Alkoholkonsumverbot denke man allerdings bei der Stadt aktuell noch nicht nach, sagte eine Sprecherin. Zumal befürchtet werde, dass sich die Situation dadurch nur verlagert.
Ob das Gebiet um die Stadthalle nach dem Polizeigesetz überhaupt als Brennpunkt gilt, ist jedoch fraglich. Denn dazu müssten mindestens 50 Straftaten und Ordnungswidrigkeiten pro Jahr vorkommen, erklärt eine Sprecherin des Gemeindetags. Hinzu komme, dass in der gewünschten Sperrzone im Vergleich zu ähnlichen Plätzen im Gemeindegebiet deutlich mehr Straftaten vorkommen müssen. „Manche Gemeinden haben aber überhaupt keine vergleichbare Fläche“, so die Sprecherin.
Eingriff ins Persönlichkeitsrecht
Die Gesetzgebung orientiere sich an fachlich erarbeiteten Kriterien. Denn wie das Innenministerium weiter mitteilt, sei schnell deutlich geworden, dass die Vorstellungen, was ein Brennpunk ist, weit auseinandergehen. Zudem stelle ein Alkoholkonsumverbot einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar. „Daher war es schon aus verfassungsrechtli- chen Gründen erforderlich, alle Belange gegeneinander abzuwägen“, sagte der Sprecher.
Einige Kommunen wie zum Beispiel Friedrichshafen haben dennoch Verbote ausgesprochen und verankern diese in der jeweiligen kommunalen Polizeiverordnung.
„Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht, und bisher hat das niemand infrage gestellt“, heißt es vonseiten der Stadt. Das Friedrichshafener Alkoholverbot, etwa am Romanshorner Platz und am Uferbereich, könnte allerdings leicht angreifbar sein.
Denn der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim hat 2009 ein solches kommunales Verbot in Freiburg für unwirksam erklärt. „Diese Entscheidung bezieht sich zwar nur auf Freiburg“, sagt ein Sprecher des Innenministeriums. „Andererseits: Wenn jemand in einer anderen Kommune gegen ein solches Verbot klagen würde, spricht viel dafür, dass er Recht bekommen würde.“
Der Städtetag ist laut eigenen Angaben dabei, Gespräche auf verschiedenen Ebenen zu führen, „denn es gibt Nachbesserungsbedarf“. Wie das Innenministerium mitteilt, gebe es allerdings aktuell keine Überlegungen des Gesetzgebers, die Regelung zu lockern.