Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Perfektes Mittagsglück wie einst bei Oma
Es ist wie bei der Henne und dem Ei: So richtig weiß das mal wieder niemand, was zuerst da war: Die Tatsache, dass sich die Menschen mittags kaum mehr eine anständige Mahlzeit gönnten und lieber nach Keller riechenden Salat aus Plastikschalen gabelten. Oder aber der beklagenswerte Umstand, dass Gastronomen immer seltener um zwölfe offen hatten. Fakt ist jedenfalls, dass die bewusste Mittagspause, in deren Zusammenhang selbst ein unschuldiges Zehntel Weißwein tabuisiert wird, fast schon zu den Raritäten zählt. Man muss Obacht geben, dass sie nicht vollends ausstirbt und auf dem Friedhof des hektischen Zeitgeistes landet, wo schon so wertvolle Sachen wie das Mittagsschläfchen oder die Vormittagsbrotzeit liegen.
Zum Glück gibt es noch Restaurants, die als Tageslokale von früh bis spät geöffnet haben und auf deren Tellern immer etwas los ist. Zu dieser Sorte gehört auch das Haus am Markt in Bad Saulgau, dessen historische Fassade das pittoreske Stadtbild mitprägt. Neben der Bestuhlung im Freien wirkt das elegantplüschig angehauchte Innere einladend: Schwarz und Grau sind die vorherrschenden Töne bei Polstern und Mobiliar. Zudem dokumentieren freigelegte Balken, dass durch dieses Gebäude mehr als nur ein Hauch von Geschichte weht. Das Mittagsmenü am Tage dieser Aufzeichnung verheißt einen Klassiker der deutschen Küche: die Rindsroulade mit Spätzle und Soße. Allerdings in der Variante mit Bad Saulgauer Gallowayrind, das in der Regel ganzjährig auf dem Freiland gemütlich wiederkäut. Und wie gut das Gericht im Haus am Markt gelingt! Wie gut diese gerollte Simplizität Erinnerungen an Omas Geheimrezept mit besonderer Füllung anklingen lässt! Küchenchef Johannes Buhles macht die Rouladen ohne größere Schnörkel – milder Speck, sanfter Senf, helle Zwiebeln und Gurken ohne aufdringlichen Charakter – fertig ist das perfekte Mittagsglück, würdig begleitet von langen Spätzle mit Buttergeschmack. Diese erhalten ihre Vollkommenheit durch eine kastanienbraune dunkle Soße, deren ungeheure Kraft den gesamten Teller dominiert. Die Aromenwucht hat ihren Ursprung in der dunklen Röstung von Fleisch und Wurzelwerk – so schmeckt nur echtes Handwerk. Bravo!
Ähnlich erfreulich präsentierte sich zuvor bereits die Tagessuppe – eine ausgewogene Terrine, die Kartoffeln und Gemüse in samtiger Cremigkeit vereint. Auch hier wieder zu spüren: Der Chef würzt mit Entschlossenheit – und das treffsicher. Nebenbei erwähnt: Die Speisekarte ist ein kurzer Abriss von schwäbischen Klassikern – allen voran die selbst fabrizierten Maultaschen.
Und zum Nachtisch? Vielleicht einen hausgemachten Zwetschgenkuchen? Gerne! Mit dem kann der Gast sein blaues Wunder erleben – denn er ist saftig, nicht zu süß und schließt ein Menü mit intensiver Frucht ab. Serviert wird im Haus am Markt von einem jungen Damen-Duo, das die Teller freundlich und mit einer natürlichen Unbefangenheit zum Gast bringt. Auch deshalb ist das Haus am Markt eine Adresse mit der hoffentlich eine Renaissance der Mittagspause delikaten Einzug hält.