Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Eigentlich habe ich zwei linke Füße“
Eheleute Hesse sind seit 50 Jahren verheiratet – Seiner Frau zuliebe hat er tanzen gelernt
SIGMARINGEN - Heute feiern WolfIngo und Rada Renate Hesse das Fest der goldenen Hochzeit. In der Nähe von Ingolstadt, im oberbayerischen Manching, gaben sie sich am 30.08.1968 im Standesamt das EheVersprechen.
„Eigentlich wollte ich nicht wieder heiraten“, bekennt Rada Renate Hesse rückblickend. Sie kam der Liebe wegen aus dem ehemaligen Bosnien nach Deutschland, hatte geheiratet und einen Sohn zur Welt gebracht. Doch die Ehe hielt nicht lange und wurde geschieden. „Durch Zufall habe ich dann meinen jetzigen Mann kennengelernt“, sagt sie. Er wollte eigentlich ihre Mitbewohnerin besuchen und Rada öffnete die Tür. „Bei ihm hat es gleich gefunkt“, lacht sie. Noch am selben Tag lud er sie zum Kaffee ein, das Jahr darauf folgte sie ihm bereits nach Bayern. Beide heirateten, kamen aber 1969, kurz vor Geburt des zweiten Sohnes, zurück nach Sigmaringen. „Wir haben in Bayern nicht richtig Fuß gefasst und der viele Nebel war gesundheitlich für meine Frau auch nicht gut“, blickt Wolf-Ingo Hesse zurück.
Er selbst ist gebürtiger Rendsburger, kommt also aus dem hohen Norden. Über Aufenthalte in der ehemaligen DDR und Mannheim kam er als Kind mit seiner Familie nach Ingolstadt. Nach seinem Schulabschluss absolvierte er eine Lehre als Bauund Möbelschreiner. Wenige Wochen später wurde er zu den Feldjägern nach Sonthofen einberufen und verpflichtete sich als Soldat auf Zeit zu acht Jahren Wehrdienst. „Danach habe ich eine Umschulung zum Raumausstatter gemacht, mit meinem kleinen Sohn auf dem Arm habe ich mich als neuer Lehrling bei der Firma Fleisch in Bingen vorgestellt, der Seniorchef hat mich sehr verdutzt angeschaut“, erinnert sich Wolf-Ingo Hesse schmunzelnd. Der Firma blieb er die ersten und letzten Jahre seines Berufslebens treu, zwischendurch wechselte er für ein paar Jahre zur Firma Eisele nach Laiz und zu den Zollern-Werken im Laucherthal.
Krankheit durchkreuzt ihre Pläne
2009 ging der Jubilar in Rente, mit vielen Plänen im Gepäck. „Wir wollten verreisen, auch in die Heimat meiner Frau, um all das nachzuholen, für was wir sonst nie viel Zeit hatten.“Doch dann kam alles anders, ein Jahr später erlitt Wolf-Ingo Hesse einen Schlaganfall, der ihn einseitig fast komplett lähmte. Mittlerweile hat er sich mit Disziplin, Ergotherapie und Ehrgeiz gut erholt und dreht täglich seine Runden, auch wenn die Beine noch nicht so wollen wie er. Aber er ist zuversichtlich und hofft, eines Tages auch wieder Auto fahren zu können.
Rada Renate meidet das Autofahren, seit ihr mittlerer Sohn im Alter von acht Jahren an einem Fußgängerüberweg in Sigmaringen von einem Auto angefahren und sehr schwer verletzt wurde. „Wir kamen drauf zu und das war für uns ein schwerer Schock. Unser Kind lag mehrere Wochen im Koma und ich konnte lange Zeit in kein Auto mehr steigen“, blickt sie zurück.
Mittlerweile leben die drei Söhne schon lange ihr eigenes Leben, sind aber ganz in der Nähe, „und das ist gut so“. Rada Renate nutzt ihre Zeit gern zum Stricken, Wolf-Ingo für seine Kanarienvögel und sein Aquarium. „Außerdem habe ich immer sehr gern getanzt“, sagt die Seniorin, und ihr Mann merkt seine zwei linken Füße an. „Aber meiner Frau zuliebe habe ich fleißig mit ihr geübt, denn ich konnte sie ja nicht immer allein auf die Tanzfläche schicken.“Auch wenn es für einen Turniertanz nicht gereicht hat, sind sie doch mit ihren Fortschritten zufrieden.
Die goldene Hochzeit wird das Ehepaar Hesse am Wochenende mit der Familie und Freunden feiern, im kleinen Kreise. „Schlicht, einfach und ergreifend, so wie unsere Hochzeit damals“, merkt der Jubilar an.