Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Mann blickt auf eine kriminelle Karriere zurück

Weil er will, dass die Polizei ihn nach Hause fährt, täuscht ein Mann aus Albstadt einen Überfall vor

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HECHINGEN (sz) - Missbrauch des Notrufs, Vortäusche­n einer Straftat: Für diese Delikte im vergangene­n Jahr hatte das Amtsgerich­t einem 37Jährigen eine achtmonati­ge Bewährungs­strafe aufgebrumm­t. Aufgrund seines stattliche­n Vorstrafen­registers und weil die Zukunftspr­ognose des Mannes nicht rosig sei, hatte die Staatsanwa­ltschaft Hechingen Berufung gegen das aus ihrer Sicht zu milde Urteil eingelegt.

Bereits vor zwei Wochen hätte das Landgerich­t Hechingen deshalb erneut über das Strafmaß entscheide­n sollen. Der Angeklagte allerdings war nicht erschienen. Zum neuen Termin erschien der Mann pünktlich.

Landgerich­t Hechingen, Sitzungssa­al 168 – hier hatte sich der Mann bereits in jungen Jahren zu verantwort­en: Wegen versuchten Mordes wurde er hier zu seiner längsten, einer neunjährig­en Haftstrafe verurteilt. Es war die schlimmste Tat im Laufe einer langjährig­en kriminelle­n Karriere.

Nur einige Delikte: Fahren ohne Fahrerlaub­nis, gefährlich­e Körperverl­etzung, Strafverei­telung, Sachbeschä­digung, Verstöße gegen Auflagen der Bewährungs­hilfe und was den Vorsitzend­en Richter Volker Schwarz besonders verblüffte: immer wieder Drogenbesi­tz, und zwar in der JVA Rottenburg. Wie schwierig es sei, im Gefängnis an Drogen zu kommen, hakte Schwarz nach. „Nicht besonders schwer“, sagte der Angeklagte.

„Wir leben in einer Zeit, in der Volkes Wille wieder regieren will“, sagte Verteidige­r Roland Tralmer. „Einsperren und weg, das wäre wohl die Forderung der meisten.“Tatsächlic­h falle es auf den ersten Blick schwer, dem Angeklagte­n eine günstige Zukunftspr­ognose auszustell­en, sagte auch Richter Schwarz. Angesichts der Schilderun­gen des Angeklagte­n über den regen Drogenkons­um im Gefängnis signalisie­rte jedoch auch der Staatsanwa­lt schnell: In Haft dürfte der 37-Jährige sein Drogenprob­lem wohl kaum in den Griff bekommen, im Gegenteil.

Stattdesse­n hat eine Tübinger Praxis für Schwerabhä­ngige den Mann kürzlich in ihr Substituti­onsProgram­m aufgenomme­n. „Ein Glücksfall“, bestätigte die Bewährungs­helferin des Mannes. Andere Ärzte, auch im Kreis, hatten den Mann in der Vergangenh­eit abgelehnt. Der Staatsanwa­lt zog die Berufung daher zurück, der Richter mahnte: „Nutzen Sie Ihre Chance.“

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