Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Nur wenige fauler als die Deutschen

Senioren im Zoo: In Wildgehege­n werden Tiere älter als in freier Wildbahn

- Von Caroline Bock

GENF (dpa) - Immer mehr Deutsche treiben nach Angaben der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO zu wenig Sport und bewegen sich auch im Alltag zu wenig. Wie aus einer am Mittwoch veröffentl­ichten Studie der WHO hervorgeht, bewegten sich

42,2 Prozent der Deutschen im Jahr

2016 nicht ausreichen­d. Unter den vergleichb­aren Staaten sind nur die Portugiese­n, Neuseeländ­er und Zyprioten fauler. Deutschlan­d gehört laut der im Fachmagazi­n „The Lancet Global Health“veröffentl­ichten Studie zu den wenigen Staaten, in denen der Anstieg des Bewegungsm­angels zwischen 2001 und 2016 mehr als

15 Prozent betrug.

BERLIN (dpa) - Auf einem Gruppenbil­d ist er nicht leicht zu finden. Flamingos sind nun mal rosa. Ingo fällt da nicht weiter auf, er steht in einer Gruppe von etwa 20 Artgenosse­n im Berliner Zoo, die gerade mit der morgendlic­hen Gefiederpf­lege beschäftig­t sind. Die Beine der Vögel stehen im Teichwasse­r, so dass Ingos roter Ring nicht zu sehen ist.

Vor ein paar Jahren musste der Zoo seine Geschichte umschreibe­n: Nicht das Gorillawei­bchen Fatou, heute um die 60, sondern Ingo hält dort seitdem den Rekord. Er ist mit 71 Jahren das älteste Tier.

Das stellte sich heraus, als die Zoomitarbe­iter sahen, was auf dem alten Ring stand, den Ingo als Jungtier bekam: „Kairo, 23.6.1948“. Das war nicht der Geburtstag, aber ein Beleg für das ungefähre Alter. „Wir waren alle baff“, sagt der Vogelkurat­or Tobias Rahde. In Berlin stakst Ingo seit 1955 herum.

Wegfliegen können die Vögel nicht, da die Flügel kupiert sind, so wie es früher üblich war. Die rosa Farbe kommt vom Futter, das die Flamingos fressen. Im Zoo bekommen sie Pellets mit Krebstiere­n, Fischmehl und Betacaroti­n. Den Farbeffekt kann man mit Paprika verstärken, wie Rahde erzählt. Das funktionie­rt aber nur mit Rot. Blau färben kann man die Tiere nicht.

84 Prozent leben länger

Bei den von Tierschütz­ern häufig kritisiert­en Zoos ist es ein bisschen wie in der menschlich­en Gesellscha­ft: Es gibt einen Trend zum Alter. Der Verband der Zoologisch­en Gärten verwies kürzlich auf eine Studie zu 50 Säugetiera­rten: Bei 84 Prozent davon lebten Zootiere länger als ihre wilde Verwandtsc­haft.

In der freien Wildbahn wären viele Tiere schon gefressen worden, von Rivalen verdrängt, verhungert oder an Krankheite­n gestorben. „Hier im Zoo kriegen sie die Rundumvers­orgung“, sagt Rahde. Zufällig liegt Ingos Gehege nahe den anderen beiden Senioren des Zoos.

Gorilla Fatou, Berlinerin seit 1959, schläft gerade. Der Legende nach kam sie mit einem Matrosen aus Afrika auf einem Schiff nach Frankreich. Dort wurde sie angeblich in einem Gasthaus als Zeche der Wirtin

übergeben. Fatou gilt zusammen mit der gleichaltr­igen Trudy aus einem Zoo im US-Bundesstaa­t Arkansas als der älteste Zoo-Gorilla der Welt. Ein paar Schritte weiter stapft die Asiatische Elefantenk­uh Tanja (54) durchs Gehege. Markenzeic­hen: ein besonders faltiger Hals. Rekordhalt­er in Deutschlan­d dürften zwei AldabraRie­senschildk­röten

im Tierpark Hellabrunn in München sein: Sam und Eunjoe, die jeweils 157 Jahre alt sind. Bei Hagenbeck in Hamburg gibt es die ebenfalls sehr betagte Seychellen-Riesenschi­ldkröte Otto (116). Gerade wurde der 1963 geborene Fritz, Europas ältestes Zoo-Gorillamän­nchen, eingeschlä­fert – wegen Altersschw­äche, so der Nürnberger Tiergarten, der von einer echten „Tierpersön­lichkeit“sprach.

Tiere nehmen allgemein auf alte Artgenosse­n nicht so viel Rücksicht wie Menschen. Die zoologisch­e Leiterin von Hellabrunn, Beatrix Köhler, verweist dabei auf Hornträger wie beispielsw­eise Mhorrgazel­len. Tiere, die Schwäche zeigen, die ganze Gruppe schwächen können, werden demnach „entsorgt“, da es biologisch keinen Sinn machen würde, sich mit dem schwachen Tier zu „belasten“. „Das wäre auch in Zoos der Fall, da die Tiere ja nicht unbedingt wissen, dass sie im Zoo keinen Gefahren ausgesetzt sind – es ist einfach ein Instinkt.“

Besondere Behandlung

Daher bekommen ältere Tiere häufig ein kräftigere­s Futter und separate Futterplät­ze und Extraratio­nen. „So kann sichergest­ellt werden, dass auch ältere Tiere genügend Futter bekommen.“Außerdem passen die Tierpflege­r auf ältere Schützling­e besonders auf.

Ingo, der als einziger der Flamingos einen Namen bekam, hat in seinem Vogelleben Glück gehabt: 2017 hat er den Sturm „Xavier“überstande­n, bei dem 18 Flamingos von herabfalle­nden Ästen getötet wurden. Die Vögel wollten sich nicht in ihre Stallungen bewegen lassen. Normalerwe­ise braucht es dafür mehrere Tage Vorlauf, auch weil die Tiere sehr sensibel sind.

Ingo könnte auch noch einige Jahre leben, schätzt der Biologe Rahde. Der Vogel hatte lange Zeit eine Partnerin und hatte wohl auch schon Nachwuchs. Wer das Weibchen ist: schwer zu sagen angesichts der unübersich­tlichen Vogelgrupp­e. „Sie ähneln sich doch schon sehr.“

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FOTOS: DPA Flamingo Ingo ist mit 71 Jahren das älteste Tier des Zoos Berlin.
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Elefantenk­uh Tanja ist schon 54 Jahre alt.

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