Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Ball flach halten“lautet die Devise
Große Koalition will ruhig weiterarbeiten – Südwest-CDU fürchtet um Einfluss in Berlin
BERLIN - „Jetzt mal locker bleiben“, empfiehlt bereits am frühen Morgen der CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer im Morgenmagazin auf die Frage, ob Merkel die Vertrauensfrage stellen muss. „Alles nicht so schlimm“, „einfach eine demokratische Wahl“– in Berlin versuchen SPD und Union, die Wogen zu glätten, während FDP-Chef Christian Lindner wärmstens empfiehlt, Merkel müsse im Parlament die Vertrauensfrage stellen.
Nach dem Sturz Volker Kauders als Fraktionschef bekommt in Berlin die Frage, was nun aus Angela Merkel wird, neuen Auftrieb. Die eigene Fraktion ist ihrer Empfehlung, Kauder wiederzuwählen, nicht gefolgt. Ist ihr die Fraktion entglitten? Der neue Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus stellt klar: „Die Fraktion steht hinter Angela Merkel.“Das sei gar keine Frage.
Regierungssprecher Steffen Seibert antwortet in seltener Eindeutigkeit mit „Nein“auf die Frage, ob es für Angela Merkel keine Notwendigkeit gibt, die Vertrauensfrage zu stellen.
Auch die SPD gießt kein Öl ins Feuer. Fraktionschefin Andrea Nahles, so berichtet der Parlamentarische Geschäftsführer Carsten Schneider, habe Volker Kauder am Dienstagnachmittag sofort angerufen und sich für die vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit in den letzten Jahren bedankt. Aber auch der neue Fraktionschef Ralph Brinkhaus, so Carsten Schneider, sei „ein absolut seriöser Kollege, belastbar, zuverlässig, Ostwestfale“, der sich zur Großen Koalition bekenne. „Ich bin mir sicher, dass Brinkhaus größtes Interesse hat, dass die Bundesregierung stabil arbeitet“, sagt Schneider. Man solle sich auch nicht verrückt machen lassen. „Die Unionsfraktion hat nicht entschieden, dass sie die Kanzlerin nicht mehr haben will.“
Eigentlich hat sie aber auch nicht entschieden, dass sie Volker Kauder nicht mehr haben will, meinen einige Abgeordnete aus dem Südwesten – sondern ihn zum Sündenbock für die Regierung gemacht. Die CDU des Landes bangt nach dem Verlust ihres mächtigen Fraktionschefs um ihren Einfluss in Berlin. Einig aber sind sich die Großkoalitonäre, lieber in die Zukunft zu schauen. Schon in dieser Woche steht die Grundgesetzänderung für Bildung erstmals auf der Tagesordnung, beim Koalitionsausschuss am kommenden Montag soll über das Einwanderungsgesetz geredet werden. So schnell wie möglich zur Tagesordnung übergehen, das ist die einhellige Devise.
Der neue Fraktionschef Ralph Brinkhaus hat unterdessen gesagt, dass er einiges anders machen werde als sein Vorgänger Kauder. Es gehe aber nicht darum, bei Regierungsvorhaben öfter mal Nein zu sagen, sondern bei manchen Fragen etwas kritischer zu diskutieren. Und das, meint CDU-Vize und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, könne der CDU nur gut tun.