Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Zweifel lassen nur Freispruch zu
Lastwagenfahrer ist angeklagt, einen Wohnwagen angefahren zu haben
RUND UM SIGMARINGEN - Manchmal scheinen Dinge im Leben klar zu sein, und eigentlich ist doch alles ganz anders – vielleicht. Verwirrend? Ein rund 60-jähriger Mann aus dem Kreisgebiet war jetzt vor dem Sigmaringer Amtsgericht angeklagt, nach einer Auftragsfahrt im vergangenen Jahr mit seinem Lastwagen einen Wohnwagen angefahren zu haben und anschließend von der Unfallstelle geflüchtet zu sein. Ort des Geschehens war eine Werkstatt in einer der Gemeinden rund um Sigmaringen. Es gab Videobilder, die den Fahrer beim Rangieren seines Lastwagens auf dem Hof zeigten, es war zu erkennen, dass er ausstieg und anschließend vom Hof fuhr. Was auf den Bildern aber nicht zu erkennen war: der Wohnwagen. Folglich war auch kein Kontakt zwischen Last- und Wohnwagen auszumachen.
Vor Gericht erklärte der Angeklagte, er sei an diesem Tag von einer Auftragsfahrt von Böblingen zurückgekommen, als er auf den Hof der Firma fuhr. Dort habe er einen Anhänger abliefern sollen. Ja, er habe dort rangiert, ein Kontakt mit dem Wohnwagen sei ihm aber nicht aufgefallen. Zwar habe er bemerkt, dass irgendetwas „geklappert“habe, aber das sei bei dem alten Lastwagen immer mal wieder vorgekommen.
Als der Besitzer des Wohnwagens ebendiesen nach einer Reparatur am Abend abholen wollte, sei ihm „das Loch in der Seite“, ein Schaden von rund 1000 Euro, sofort aufgefallen. Vor Gericht schilderte er, dass die Angestellten der Firma sofort bestritten, etwas mit dem Schaden zu tun zu haben. Ihm sei dann die Kamera aufgefallen. Der Chef der Firma habe zwar selbst nicht gewusst, wie an die Aufnahmen zu kommen sei, letztlich sei tags darauf aber ein Mitarbeiter der Firma, die die Kamera installiert hatte, zur Werkstatt gekommen. „Als wir dann den Lastwagen [des Angeklagten, Anmerkung der Red.] gesehen haben, war allen eigentlich sofort klar, dass es nur dieser gewesen sein kann“, sagte der Besitzer des Wohnwagens. Richterin Elisabetta Carbotta wollte wissen, weshalb das denn so klar gewesen sei, schließlich sei ja gar kein Kontakt wahrzunehmen gewesen: „Es gab auf dem Video ja stundenlang kein anderes Auto zu sehen“, sagte der Wohnwagen-Fahrer.
Kein korrespondierender Schaden am Wohnwagen
Die nächste Zeugin im Gericht war die Polizeibeamtin, die damals vor Ort gewesen war und den Schaden aufgenommen hatte. Sie erklärte, dass es aus technischen Gründen nicht möglich gewesen sei, den gesamten Zeitraum auf dem Video abzuspielen, der für den Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge infrage gekommen wäre. Zudem habe sie am Tag nach dem Schadensfall den Lastwagen des Angeklagten untersucht – hierbei sei kein korrespondierender Schaden wahrnehmbar gewesen.
Mittlerweile war der Vertreter der Staatsanwaltschaft doch einigermaßen verdutzt wegen der Entwicklung des Falls im Gericht. Der Sachverständige aus Reutlingen, der sich im Vorfeld der Verhandlung noch einmal ein Bild sowohl von dem damaligen Schaden am Wohnwagen als auch von dem Zustand des Lastwagens gemacht hatte, kam zu einem Ergebnis, dass auch nicht wirklich weiterhalf.
Aufgrund der vorgefundenen kleineren Schäden am Spiegel des Lastwagens konstatierte er: „Ein Kontakt könnte möglich gewesen sein, ist aber nicht nachweisbar.“Und auch die Frage, ob der Lastwagenfahrer einen Kontakt, sollte es ihn gegeben haben, zwingend hätte bemerken müssen, verneinte er.
Dem Staatsanwalt blieb nichts anderes übrig, als auf Freispruch für den Angeklagten zu plädieren. Der Vorwurf, dass der Angeklagte den Schaden an dem Wohnwagen verursacht hatte, sei zwar auch nicht widerlegt worden, es gebe aber zu große „vernünftige Zweifel“, sagte er. „Aus diesem Grund ist der Angeklagte leider freizusprechen“, folgerte er. Dem schlossen sich Verteidigung und Richterin Carbotta an.
„Es gab auf dem Video ja stundenlang kein anderes Auto zu sehen“, sagt der Wohnwagenfahrer.