Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Freie-Wähler-Chef will Söders Verbündeter werden
Hubert Aiwanger drängt auf Koalitionsverhandlungen
MÜNCHEN (lby) - Große Jubelgesten sind die Freien Wähler auf Landesebene nicht unbedingt gewöhnt. Sie sind wie bei beiden vorigen Wahlen voraussichtlich wieder drittstärkste Kraft geworden, wohl mit etwas mehr als elf Prozent der Stimmen. Diesmal könnten sie mit der CSU auf die Regierungsbank rücken. Denn Ministerpräsident Markus Söder (CSU) muss sich nach dem krachenden Verlust der absoluten Mehrheit einen Koalitionspartner suchen. Seine klare Priorität, wie er am Abend sagt: ein „bürgerliches Bündnis“.
Während des Wahlkampfes hatten die Freien Wähler betont, dafür zur Verfügung zu stehen. Eine Regierungsbeteiligung wäre der größte Erfolg in der Geschichte der Partei, die 2008 erstmals ins Parlament eingezogen war. Parteichef Hubert Aiwanger traut sich deshalb äußerst selbstbewusste Töne zu, als er 40 Minuten nach der ersten Prognose vor seine Anhänger ans Rednerpult tritt. Er fordert Söder auf, ihn zu Koalitionsverhandlungen einzuladen. Dabei wollten sich die Freien Wähler nicht gegen die Grünen ausspielen lassen, nach dem Motto: „Wen kriegt man am billigsten an die Angel?“
Seine Genugtuung über das Wahlergebnis formuliert Aiwanger so: „Andere haben die Talkshows besucht, wir haben zu Hause die Arbeit gemacht.“Viele, die daraufhin klatschen, sind in Lederhose und Trachtenjanker gekommen. Die Freien Wähler sehen sich als Repräsentanten des urtümlichen, des bescheidenen Bayern. Viele Wähler scheinen bei ihnen etwas zu suchen, was die CSU von Ministerpräsident Söder nicht mehr repräsentiert.
Aiwangers Heimat ist ein Bauernhof bei Rottenburg an der Laaber in Niederbayern. Der passionierte Jäger ist im Landtag nach wie vor eine Ausnahmeerscheinung. Er kann auch lange Reden komplett ohne Manuskript halten. Selbst seine Kritiker halten ihn für politisch begabt – aber auch ein Stück weit für einen begabten Populisten. Innerhalb der Freien Wähler werfen ihm seine Gegner einen egozentrischen, ziemlich autoritären Führungsstil vor. Er ist in Personalunion Bundesvorsitzender, Landesvorsitzender und Fraktionschef im Landtag.
Betonung auf Bodenständigkeit
Am Wahlabend wird der 47-jährige Agraringenieur und zweifache Vater nicht müde, die Bodenständigkeit seiner Partei zu betonen. Dieser Stil sei mitverantwortlich für den Erfolg der Freien Wähler, sagt auch Generalsekretär Michael Piazolo: „Wir sind mehr geerdet und versuchen, auch leiser schreiende Probleme aufzunehmen.“
Bislang schaffte die Partei das mehrmals, indem sie Volksbegehren auf den Weg brachte und die CSU zum Handeln zwang. Das kann sich Aiwanger nun vielleicht sparen – künftig könnte in der Staatsregierung womöglicher ein entscheidendes Wort mitreden.