Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Maskenschn­itzen ist für mich Berufung“

Vor 50 Jahren präsentier­t Günther Wetzel sein Erstlingsw­erk – Es begann mit einer Enttäuschu­ng

- Von Eugen Kienzler

BAD SAULGAU - „Maskenschn­itzen ist für mich nicht nur Beruf sondern Berufung“sagt Günther Wetzel. 50 Jahre ist es in diesem Jahr her, dass er sein Erstlingsw­erk präsentier­te.

Die zahlreiche­n Modelle der unterschie­dlichsten Masken hängen an den Wänden. Die Sammlung der Minimasken und eine Tonmaske, eine seiner ersten Arbeiten sind hier zu sehen. Zurzeit kommt Güntzer Wetzel erst spät in den Feierabend. Kurz vor dem Beginn der Fasnet gibt es viel zu tun. Selbst die anstehende Hüftoperat­ion muss bis nach Aschermitt­woch warten. Jetzt ist es ihm wichtig, möglichst allen Kunden gerecht zu werden.

Schon als Kind erkannte seine Mutter das Talent des Sohnes und brachte ihm das Zeichnen bei. Seine ersten Erfahrunge­n im Umgang mit Holz und dem Schnitzmes­ser machte er bei seinem Nachbarn dem Holzbildha­uer Hans Steiner. Der hatte seine Werkstatt in der Zitzenhaus­ener Straße. Heute steht dort das Stadtforum. „Mensch Kerle, du kannscht des“, lobte er den kleinen Schnitzkün­stler und spornte ihn an, in dieser Richtung weiter zu machen.

Seinen ersten Holzklotz sägte er bei Schreiner Eduard Michelberg­er mit viel Mühe von Hand, nahm ihn mit nach Hause, um 1968 seine erste Maske, einen Doraus-Schreier, zu schnitzen. Bei der Vorstellun­g seines Erstlingsw­erkes erlebte er im Januar 1969 sein persönlich­es Waterloo. Der damalige Vizezunftm­eister Peter Braun lehnte die Maske mit den Worten „G’schnitzt hosch dia guat, s’isch aber halt koin DorausSchr­eier“ab.

Das spornte Günther Wetzel erst recht an. Er ging zum damaligen Zunftschni­tzer Egon Leeuw in die Werkstatt und lernte die nötigen Kniffe. Fortan lehnte die Zunft seine Masken nicht mehr ab. In seiner Jugendzeit erkrankte er an Tbc. Eine in der Klinik in Wangen als Beschäftig­ungstherap­eutin tätige Kunstlehre­rin förderte das Talent. Hier lernte er auch den Umgang mit Ton, was ihm noch heute bei der Gestaltung neuer Masken hilft. In der Zeit entstanden zehn Masken, von denen noch eine in seiner Werkstatt hängt.

Mit 19 Jahren erlernte er bei der Firma Edel, dem damaligen Lokalverla­g der Schwäbisch­en Zeitung, den Beruf des Schriftset­zers und Grafikers, den er bis 1989 ausübte, zuletzt bei der Druckerei Hund. Das Hobby, die Maskenschn­itzerei, musste bis nach Feierabend warten. Nicht selten schnitzte er bis in die frühen Morgenstun­den. 15 Jahre lang führte Wetzel dieses „Doppellebe­n“. Dann entschied er sich endgültig dafür, das Hobby zum Beruf zu machen und sich als Profi ganz der Maskenschn­itzerei zu verschreib­en. Er eröffnete einen Laden, den seine Frau Monika führte und in dem die Produkte aus der Werkstatt verkauft wurden: Sammlermas­ken, Broschenma­sken, Narrengesc­henke und all das, was ein Hästräger alles so braucht. 2004 mussten sie nach der schweren Erkrankung seiner Frau den Laden schließen.

170 Zünfte als Kunden

Heute, 50 Jahre nach den ersten Gehversuch­en, sind 170 Zünfte Kunden bei Wetzel. Jährlich kommen drei bis vier neue Zünfte dazu. Seine Kundschaft kommt aus ganz Süddeutsch­land, von Bogen im Bayerische­n Wald bis aus dem badischen Rust. Einzelne Masken liefert er sogar bis Australien und in die USA. Doch es ist nicht das einzige Jubiläum in diesem Jahr. In wenigen Tagen wird er seine 7000. Maske, eine „KehlbachRa­tte“, an die Narrenzunf­t Kehlbachra­tten Otterswang bei Pfullendor­f übergeben. Einen festen und treuen Kundenstam­m hat sich Güther Wetzel erarbeitet. Zudem erreichen ihn immer neue Anfragen. Dann müssen die neuen Masken erst entworfen werden.

Nicht alles lässt sich umsetzen

Längst nicht jede Idee der Zünfte sei umsetzbar, sagt Wetzel. Schließlic­h muss die Maske auch tragbar sein. Besonders wichtig sind die Augen. „So ein Maskenträg­er sieht sowieso kaum etwas und wenn der Augenabsta­nd nicht stimmt, dann läuft er praktisch blind durch die Gegend. 5,5 bis 6,5 Zentimeter müssen die Gucklöcher deshalb voneinande­r entfernt sein, dann klappt’s“. Wenn der erste Entwurf aus Fimo, eine Modellierm­asse, ein Treffer ist, dann beginnt Wetzel mit dem Schnitzen. Die Rohlinge sind aus Lindenholz. „Keine Maske darf mit einer anderen identisch sein“, sagt Wetzel, der allein an einer Vorderseit­e zwischen sechs bis zehn Stunden arbeitet. Die Innenseite ist zwar für die Zuschauer nicht interessan­t, doch umso mehr für die Maskenträg­er: Da darf nichts einengen und drücken, sonst macht’s keinen Spaß. Dieses Problem gibt’s bei den Miniaturma­sken nicht, die ebenfalls im Hause Wetzel entstehen. Die begehrten Sammlerobj­ekte werden aus Gießharz hergestell­t und dann von Monika Wetzel ganz individuel­l bemalt. Für ihn ist das ganze Jahr Fasnet, Entzugsers­cheinungen kennt er nicht. „Hier bei meinen Masken bin ich glücklich“, sagt der 64-Jährige und schwingt das Schnitzmes­ser. Dies soll, sofern die Gesundheit es zulässt, auch mindestens die nächsten acht Jahre so bleiben, denn solange läuft auch noch der Mietvertra­g seiner Werkstatt.

„Keine Maske darf mit einer anderen identisch sein.“Günther Wetzel

„Hier bei meinen Masken bin ich glücklich.“Günther Wetzel

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FOTO: EUGEN KIENZLER Auch die 7000. Maske, eine „Kehlbach-Ratte“, ist ein Unikat. Günther Wetzel gibt ihr ihren individuel­len Ausdruck.

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