Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Streit um Naturschutz im Wald
Forstbesitzer werfen der grün-schwarzen Landesregierung Wortbruch vor
STUTTGART - Privatleute kümmern sich um jedes dritte Waldstück in Baden-Württemberg, in Bayern sogar um jedes zweite. Im Südwesten ist nun ein heftiger Streit ausgebrochen. Es geht um die Frage, wie viele Vorschriften die Landesregierung den Waldbauern machen darf, wie viel Naturschutz notwendig ist und wie viel Geld den Waldbesitzern dafür zusteht, dass ihre Wälder für Wanderer, Radler und Erholungssuchende zugänglich bleiben. Zwischen den Regierungspartnern Grünen und CDU ist das Thema umstritten.
Anlass für den Streit ist eine Reform des Landeswaldgesetzes, die aus organisatorischen Gründen notwendig ist. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs muss BadenWürttemberg seine Forstverwaltung umstrukturieren. Doch nun werfen Privatwaldbesitzer und Städte CDU und Grünen vor, sie bei dieser Gelegenheit mit unnötigen NaturschutzVorschriften zu überziehen. Sogar von Enteignung ist die Rede.
„Der Gesetzesentwurf enthält in der Tat viele überbordende Auflagen, die von grüner Seite hineingekommen sind“, sagte Patrick Rapp, Forstexperte der CDU, der „Schwäbischen Zeitung“.„Unsere privaten Waldbauern orientieren sich am neuesten Stand der Wissenschaft, die Forstwirtschaft ist Gralshüter der Nachhaltigkeit. Man kann übertriebene ökologische Symbolpolitik nicht auf den Schultern jener austragen, die seit Jahrzehnten die Hauptlast der guten Arbeit in unseren Wäldern leisten.“
Erbgraf Maximilian zu Königsegg-Aulendorf, einer der großen Privatwaldbesitzer in der Region, wirft der Landesregierung Wortbruch vor. „Mich als privaten Waldbesitzer ärgert am meisten, dass uns die Landesregierung im Vorfeld immer zugesagt hat, nur jene Teile des Landeswaldgesetzes zu ändern, die organisatorische Fragen betreffen. Auf der Zielgeraden hat sie aber jetzt wesentlich weitergehende Dinge mit aufgenommen, die unmittelbar die Bewirtschaftung unserer Wälder betreffen. So ein Vorgehen erzeugt viel Unmut und erschüttert das Vertrauen in die Politik.“Ähnlich enttäuscht ist auch der Städtetag. Seinen Mitgliedern, den Kommunen, gehören 40 Prozent des Waldes im Land.
Das von Peter Hauk (CDU) geführte Agrarministerium in Stuttgart weist die Vorwürfe zurück. Befürchtungen vor neuen Vorgaben und Kontrollen seien unbegründet, die entsprechenden Passagen im Gesetz bildeten lediglich ab, was schon bislang in den Wäldern praktiziert werde. Auch der grüne Forstfachmann Reinhold Pix verspricht: „Die geplanten gesetzlichen Vorgaben stellen den Status quo der ordnungsgemäßen Waldwirtschaft dar. Auch nach der Neuordnung behalten kommunale und private Waldbesitzer ihre Freiheiten.“
STUTTGART - Müssen Besitzer privater Wälder mehr für den Naturschutz tun? Und was bedeutet das für Wanderer und Radler? Darüber ist eine heftige Debatte ausgebrochen.
Die privaten Waldbesitzer sind sauer. Ihnen gehört ein Drittel der Waldstücke im Land, 40 Prozent der Wälder stehen unter Obhut der Kommunen, den Rest bewirtschaftet das Land. Kommunen und Private werfen der Landesregierung jetzt vor, ihnen mit neuen Regeln das Leben schwer zu machen. Außerdem fordern sie mehr Geld für ihre Leistungen im Wald – wie das Freihalten von Wegen oder den Beitrag zum Naturund Klimaschutz.
Naturschutz vor Ökonomie?
Anlass der Debatte ist der Entwurf für ein neues Landeswaldgesetz. Es wird notwendig, weil das Land seine Forstverwaltung umorganisieren muss. Dazu zwingt ein Gerichtsurteil die Landesregierung. Aus Sicht der Waldeigentümer hat die grünschwarze Koalition dies nun genutzt, um unnötig in ihre Wälder hineinzuregieren. Der Entwurf des CDU-geführten Agrarministeriums enthält tatsächlich neue Vorgaben zum Naturschutz, die sehr schwammig formuliert sind. Kritiker fürchten, auf dieser Grundlage ließen sich jederzeit neue Pflichten für die Waldbesitzer durchsetzen.
Es geht zum Beispiel darum, wie viel Totholz liegen bleiben soll. Abgestorbene Bäume bieten Tieren Unterschlupf und Pflanzen Lebensraum. Im Gesetzesentwurf steht nun, in den Wäldern von Privatleuten und Gemeinden müsse ein „hinreichender Anteil“Totholz vorhanden sein. Was das heißt, bleibt unbestimmt. Gerade das bringt die Waldbesitzer auf. Damit ist aus ihrer Sicht Tür und Tor für strenge Regeln geöffnet. Waldeigentümer sprechen sogar von „Enteignung“– auf Totholz-Flächen wächst kein Baum, dessen Holz verkauft werden kann.
Forstbehörden schauen genau hin
„Das beißt sich doch: Ministerpräsident Winfried Kretschmann startet eine Holzbauoffensive, um den Baustoff aus der Region zu bewerben. Gleichzeitig wird mit dem Gesetz die Grundlage geschaffen, damit private Waldbesitzer möglicherweise Flächen aus der Nutzung nehmen müssen. Woher soll denn das Holz dann kommen“, sagt Erbgraf Maximilian zu Königsegg-Aulendorf, einer der Privatwaldbesitzer in der Region. Das Geschäft mit Holz ist ein wichtiger Wirtschaftszweig: Rund 200 000 Beschäftigte erwirtschaften pro Jahr rund 31 Milliarden Euro Umsatz.
Das Agrarministerium von Peter Hauk (CDU) weist alle Befürchtungen als unbegründet zurück. Die Vorgaben entsprächen dem, was längst gemacht würde, neue Sanktionen seien nicht vorgesehen. Praktiker wie Tobias Kühn sehen das anders. Er leitet das Forstamt von Villingen-Schwenningen und sagt: „So ein Gesetz entfaltet selbstverständlich eine Rechtsbindung. Zumal es ja im zuständigen Ministerium immer wieder zu personellen und politischen Wechseln kommt und man daher nicht sicher sein kann, wie das Gesetz in Zukunft ausgelegt wird.“
Neue Bestimmungen würden ihn zu Kontrollen zwingen, wie es sie bisher auch schon gebe: „Selbstverständlich überwachen wir als untere Forstbehörde sehr genau, wie in den Wäldern gewirtschaftet wird.“Bei Verstößen drohen Anordnungen und sie verhängen Bußgelder. Wer der Umwelt verbotenerweise Schäden zufügt, muss diese ausgleichen.
Aus Sicht des CDU-Forstexperten Patrick Rapp reichen die geltenden Vorschriften vollkommen aus. Schon jetzt würde der Wald gut und im Einklang mit dem Naturschutz bewirtschaftet. „Wir sind weltweit Vorbild für eine ökologisch verantwortliche, aber auch ökonomisch sinnvolle Bewirtschaftung“, so Rapp. Er fürchtet, dass kleine Waldbesitzer aufgeben, wenn das Gesetz wie geplant kommt – wegen zu viel Bürokratie.
Sein Landtagskollege von den Grünen, Reinhold Pix, widerspricht. „Angesichts des Klimawandels muss der Waldumbau jetzt noch konsequenter betrieben werden, wenn wir künftig vom Wald als Klimaretter profitieren wollen und weiterhin auf den Wald als regionalen Wirtschaftsfaktor setzen wollen“, erklärt er. Dazu trage das geplante Gesetz bei. Aber das Land unterstütze die Waldbesitzer und gängele sie nicht. Die Beratung durch Förster im Landesdienst bleibe kostenlos. Die Fördermittel würden aufgestockt. „Wir lassen Waldbesitzende nicht alleine“, so Pix.
Der Wald als Dienstleister
Die Forstkammer fordert aus einem weiteren Grund mehr Geld für ihre Mitglieder. Sie vertritt die Interessen von 240 000 Kommunen und Privatleuten, denen Waldstücke gehören. Schließlich hielten auch die Privaten Wege durch ihre Wälder für Spaziergänger frei, tolerierten Pläne für neue Radwege und mehr. Bundesgesetze verpflichten sie allerdings dazu – demnach darf jeder Bürger Wälder und nicht bewirtschaftete Wiesen betreten. Die Forstkammer argumentiert: Das Land lege den Waldeigentümern nun neue Pflichten auf und schränke sie in ihrem Wirtschaften ein. Deshalb solle es mehr Geld geben, um den Waldbesitzern ihre Mühen für Erholungssuchende zu vergüten.
Der Gesetzesentwurf ist nun in der weiteren Abstimmung – ob er wie geplant in Kraft tritt, muss sich noch zeigen. „Ich werde mich querstellen“, sagt CDU-Mann Rapp.