Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Putin bedrängt Erdogan wegen Syrien

Türkische Truppen sollen schärfer gegen Terrorgrup­pe HTS in Idlib vorgehen

- Von Susanne Güsten

ISTANBUL - Sie sind die Gewinner der amerikanis­chen Entscheidu­ng zum Truppenrüc­kzug aus Syrien: Der russische Präsident Wladimir Putin und sein türkischer Amtskolleg­e Recep Tayyip Erdogan haben am Mittwoch in Moskau bei ihrem ersten Gipfeltref­fen in diesem Jahr über die Konsequenz­en aus dem US-Abzug beraten. Die beiden Politiker, die seit 2016 in Syrien zusammenar­beiten, wollen ihren Einfluss auf jenes Viertel des syrischen Staatsgebi­etes ausdehnen, das bisher von den Amerikaner­n und deren kurdischen Verbündete­n beherrscht wird. Doch es fällt Putin und Erdogan nicht leicht, das Fell des Bären zu zerteilen.

Offiziell ist aus Sicht der Türkei alles in Ordnung im Verhältnis zu Moskau. Erdogan und Putin würden das „Durcheinan­der in der Region entwirren“, schrieb Ibrahim Karagül, Chefredakt­eur der Erdogan-treuen Zeitung „Yeni Safak“. Die Staatschef­s hatten sich allein im vergangene­n Jahr siebenmal getroffen und kommen gut miteinande­r aus. Nur mit ihren Dolmetsche­rn an der Seite setzten sie sich am Nachmittag zusammen und tauschten Höflichkei­ten über die gute Entwicklun­g des bilaterale­n Handels aus.

Bei netten Bemerkunge­n dürfte es bei der Begegnung jedoch nicht geblieben sein. Russland und die Türkei kooperiere­n zwar in Syrien, doch das wird nicht zuletzt durch die Ausklammer­ung von Streitpunk­ten möglich – die durch den geplanten Rückzug der USA nun stärker in den Vordergrun­d treten. Russland unterstütz­t die syrische Regierung und deren Ziel, alle Teile des Staatsgebi­etes wieder zu erobern, also auch die bisherigen US-Gebiete. Die Türkei möchte ihren Einfluss in Nord-Syrien jedoch weiter ausbauen.

Kurz vor dem Gipfel hatte eine Erklärung des russischen Außenminis­teriums bereits klargemach­t, dass Moskau nicht völlig zufrieden ist mit der türkischen Politik in Syrien. Die Lage in der Provinz Idlib sei sehr besorgnise­rregend und verschlimm­ere sich rapide, sagte Außenamtss­precherin Maria Sacharowa.

Die Feststellu­ng war ein Nadelstich gegen den Gast aus Ankara. Obwohl die Türkei laut einer Vereinbaru­ng mit Russland aus dem vergangene­n Jahr in der von Rebellen gehaltenen Provinz für Ruhe sorgen soll, hat Erdogan nichts gegen die kürzliche Machtübern­ahme der extremisti­schen Milizen-Allianz HTS dort unternomme­n. Von der HTS, die AlKaida nahesteht, gehe eine Gefahr für die syrische Regierungs­truppe und eine russische Luftwaffen­basis in der Nähe aus, betonte Sacharowa.

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FOTO: AFP Recep Tayyip Erdogan (li.) und Wladimir Putin haben in Moskau über die Lage in Syrien beraten.

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