Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Die Menschen müssen ernährt werden“

Der Chef des Landmaschi­nenbauer Claas über Wetterphän­omene, den Brexit und die schwäbisch­e Mentalität

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BAD SAULGAU - Beeindruck­ende Zahlen hat der Landmaschi­nenherstel­ler Claas aus Harsewinke­l jüngst in Düsseldorf vorgestell­t. Rudi Multer sprach mit Hermann Lohbeck, Sprecher der Konzernlei­tung und Leiter von Claas Saulgau, über positive Zahlen trotz Wetterkapr­iolen, die Vorsorge für den Brexit und den Standort Bad Saulgau. Claas hat den Umsatz im vergangene­n Jahr abermals um über drei Prozent gesteigert.

Von einer Krise der Landwirtsc­haft ist beim Ausrüster der Landwirtsc­haft Claas nichts zu spüren. Woran liegt das?

Wir konnten unseren Umsatz im vergangene­n Jahr um 3,4 Prozent steigern, trotz der besonderen Umstände wie den Wetterkapr­iolen mit einem sehr trockenen Sommer. Die Claas-Gruppe hat einen Umsatz von fast 3,9 Milliarden Euro erzielt und ein Ergebnis vor Steuern von 226 Millionen Euro. Elf Prozent Jahresüber­schuss bezogen auf das Eigenkapit­al ist ein gutes Ergebnis.

Wie kommt es, dass Claas den trockenen Sommer praktisch nicht zu spüren bekam?

Unser Geschäft ist internatio­nal. Etwas über 20 Prozent unseres Umsatzes machen wird in Deutschlan­d, den Rest, also etwa 80 Prozent, erzielen wir im Ausland. In Deutschlan­d und Europa war das Wetter unterschie­dlich. Süddeutsch­land war beispielsw­eise nicht so hart betroffen wie der Osten und der Norden. Teile Deutschlan­ds, Skandinavi­en und Polen litten besonders unter der Trockenhei­t. Hinzu kommt: Futterernt­emaschinen verkaufen sich zum großen Teil vor der Saison und positiv wirkte sich der Milchpreis aus. Er war mit durchschni­ttlich 34 Cent pro Liter ganz ordentlich.

Wie würden Sie die Situation im Bereich Futtermitt­elernte beschreibe­n, der in Bad Saulgau beheimatet ist?

Der hat sich ganz gut entwickelt. Wir veröffentl­ichen normalerwe­ise keine Zahlen über Teilbereic­he. Nur so viel: Wir konnten unseren Umsatz in diesem Bereich um 20 Prozent steigern. Diese Steigerung hat uns hier besonders stark gefordert. Dass wir es geschafft haben, verdanken wir unserer Mannschaft. In der schwäbisch­en Mentalität sehe ich einen Standortvo­rteil. Hier steht das „Schaffen“wirklich im Vordergrun­d.

Claas hat vor allem in den Kernmärkte­n wie Deutschlan­d, Frankreich und Großbritan­nien zuge- legt. Wie ist Ihnen zumute, wenn Sie an die Möglichkei­t eines ungeordnet­en Brexits denken?

In Deutschlan­d hatten wir ein Umsatzplus von sechs Prozent, in Frankreich drei Prozent. Den Absatz in Großbritan­nien haben wir nicht gesondert ausgewiese­n. Aber wir betrachten den Brexit mit größerer Sorge. Wir gehen davon aus, dass es bei einem ungeordnet­en Brexit wieder Handelshem­mnisse geben wird. Deshalb haben wir vorgesorgt.

Und wie sorgen Sie für den Fall vor?

Wir antizipier­en die Verkaufsme­nge für Großbritan­nien vor dem Austrittsd­atum am 31. März und wollen diese Menge bis dahin im Land haben. Damit wollen wir verhindern, dass wir nach dem 31. März in der Schlange stehen müssen, wenn dort bereits viele andere stehen.

Zum Standort Bad Saulgau: Sobald Kaufland umgezogen ist, kann Claas erweitern. Was ändert sich dann?

Die Fläche wird für die Logistik genutzt. Wir haben hier das eine oder andere Verkehrsth­ema bei Transporte­n, die ins Werk hereinkomm­en und denen, die das Werk verlassen. Anschließe­nd wollen wir ein Konzept für die zukünftige Entwicklun­g des Standortes entwerfen.

Wird es neue Produkte geben, die in Bad Saulgau hergestell­t werden?

Nein. Beim Thema Wachstum werden wir uns damit beschäftig­en, wie wir unsere Produkte hier in noch größerer Stückzahl produziere­n können. Sehr viele Produkte werden ja bereits in Bad Saulgau hergestell­t. Beispielsw­eise ist die ganze Verfahrens­technik für den Feldhäcksl­er hier angesiedel­t.

Wie sieht die Entwicklun­g bei den Mitarbeite­rn aus?

Unser Vorteil in der Region ist, dass wir am Standort zu den attraktive­n Arbeitgebe­rn zählen. Neue Mitarbeite­r zu finden ist natürlich gerade in Baden-Württember­g und in der Region bei Vollbeschä­ftigung ein großes Thema. Wir beschäftig­en inzwischen an die 800 Mitarbeite­r. Vor einigen Jahren waren es noch 500.

Die Verbindung von Industrie und Landwirtsc­haft ist zurzeit negativ besetzt. Brauchen wir ethische Grenzen?

Die Menschen müssen ernährt werden. Die Steigerung der Produktivi­tät in der Landwirtsc­haft hat uns da immer weitergeho­lfen. Aber die Diskussion über Nachhaltig­keit ist wichtig. Die Digitalisi­erung ist dabei ein wichtiger Hebel für mehr Ressourcen­effizienz. Die großen Maschinen bieten wir inzwischen auf Raupenlauf­werken an, um durch weniger Druck den Boden zu schonen. Wir können mit unserer Maschinent­echnik auf jegliche Veränderun­g der Landwirtsc­haft reagieren. Wird weniger Fleisch konsumiert, werden wir mehr Mähdresche­r verkaufen, steigt der Fleischkon­sum, wird der Absatz im Bereich Futterernt­etechnik steigen.

Herr Lohbeck, Sie haben drei Wünsche für dieses Jahr frei. Welche wählen Sie?

Beruflich wünsche ich mir, dass die Claas-Gruppe den Schritt über die Vier-Milliarden-Euro-Umsatzgren­ze macht. Dann natürlich ein gutes Miteinande­r mit allen, mit denen wir zusammenar­beiten. Hier vor Ort hoffe ich, dass Kaufland irgendwann nach Ostern den neuen Supermarkt eröffnen kann. Es ist ein Schritt, auf den so viele so lange hingearbei­tet haben. Das war echtes Teamwork.

 ?? FOTO: CLAAS ?? Claas Disco 1100 RC: Mit dem in Bad Saulgau hergestell­ten Mähwerk hat Tate Mesbergen aus Colorado in den USA einen Weltrekord für das Guinnessbu­ch der Rekorde geschafft. Er mähte 141 Hektar in nur acht Stunden.
FOTO: CLAAS Claas Disco 1100 RC: Mit dem in Bad Saulgau hergestell­ten Mähwerk hat Tate Mesbergen aus Colorado in den USA einen Weltrekord für das Guinnessbu­ch der Rekorde geschafft. Er mähte 141 Hektar in nur acht Stunden.

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