Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Der Resturlaub wird mitvererbt
Beim Tod eines Arbeitsnehmers fällt sein Urlaubsanspruch als Teil des Vermögens der Erbmasse zu – Wie er berechnet und eingefordert wird
BERLIN - Das Bundesarbeitsgericht hat ein grundlegendes Urteil gefällt. Demnach steht den Erben eines verstorbenen Arbeitnehmers eine Auszahlung des noch bestehenden Resturlaubs für das laufende Jahr zu. Das höchste Gericht folgt damit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom vergangenen November. Daraus folge, dass der nicht mehr in Anspruch genommene Jahresurlaub „als Bestandteil des Vermögens Teil der Erbmasse wird“, stellen die Richter fest.
Dabei kann es sich um durchaus ansehnliche Beträge handeln, wie der Musterfall eines schwerbehinderten Beschäftigten im öffentlichen Dienst zeigt. Dessen Ehefrau forderte den Ausgleich von noch 25 nicht beanspruchten Urlaubstagen ihres verstorbenen Ehemanns von seinem Arbeitgeber. Die obersten Richter sprachen ihr am Ende des Instanzenweges 5857,75 Euro zu. „Der bezahlte Urlaub wird vom Gericht als Vermögenswert angesehen“, erläutert die Rechtsexpertin des Verbraucherportals Finanztip.de, Britta Schön.
Kommt es zum Todesfall bei einem noch laufenden Arbeitsvertrag, rät die Juristin den Hinterbliebenen, sich schriftlich an den Arbeitgeber zu wenden. „Erkundigen Sie sich nach eventuellen Urlaubsansprüchen“, sagt Schön. Sollten noch offene Tage aus dem laufenden Jahr übrig sein, muss die Firma oder Behörde die Urlaubstage in Euro und Cent umrechnen und das Geld an die Erben überweisen. „Es kann sein, dass der Arbeitgeber einen Erbschein verlangt, bevor er den Ausgleich leistet“, erklärt Schön.
Einen Anspruch auf Urlaub haben alle Arbeitnehmer, also auch Teilzeitkräfte. Der gesetzliche Mindesturlaub liegt bei 24 Tagen. In vielen Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen sind jedoch mehr bezahlte freie Tage vereinbart worden. Der Anspruch auf Urlaub entsteht auch, wenn der Arbeitnehmer krankgeschrieben ist.
Für die Umrechnung der Urlaubstage in eine Ersatzzahlung gibt es feste Regeln. Das Bundesurlaubsgesetz legt den durchschnittlichen Verdienst der letzten 13 Wochen als Basis dafür fest. Laut IHK-Darmstadt zählen dazu auch Zulagen, Provisionen oder Akkordlöhne. Überstunden oder Einmalzahlungen wie das Weihnachtsgeld werden nicht berücksichtigt.
Sozialkassen bleiben außen vor
Ein Beschäftigter mit einem Bruttolohn von 2500 Euro, ohne Zulagen und Provisionen, hat in diesen 13 Wochen 7500 Euro verdient. In dieser Zeit gab es 65 Arbeitstage. Der durchschnittliche Verdienst pro Arbeitstag beträgt also 115,38 Euro. Hatte der Arbeitnehmer, als er verstarb, noch neun Urlaubstage offen, können seine Erben neun Mal den Durchschnittsverdienst, also 1038,46 Euro, beanspruchen. Im Gegensatz zur normalen Auszahlung des Urlaubs, müssen die Erben davon nichts an die Sozialkassen abführen. „Urlaubsabgeltungen nach Beendigung der Beschäftigung durch Tod des Arbeitnehmers sind bis auf Weiteres nicht beitragspflichtig“, erläutert Expertin Schön.
In einem weiteren Urteil entschieden die Luxemburger Richter, dass Erben Ausgleichszahlungen für nicht genommenen Urlaub eines Gestorbenen von dessen ehemaligem Arbeitgeber verlangen können – auch dann, wenn nationales Recht diese Möglichkeit wie in Deutschland eigentlich ausschließt.
Zwei Witwen fordern vor deutschen Gerichten Ausgleichszahlungen für den nicht genommenen Jahresurlaub ihrer gestorbenen Ehemänner. In den konkreten Fällen müssen die nationalen Gerichte noch urteilen. Christoph Kurzböck, der als Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Rödl & Partner, sieht in den Urteilen eine deutliche Stärkung der Arbeitnehmer. „Die Bedeutung des Urlaubs als solches soll gestärkt und geschützt werden.“