Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Der Resturlaub wird mitvererbt

Beim Tod eines Arbeitsneh­mers fällt sein Urlaubsans­pruch als Teil des Vermögens der Erbmasse zu – Wie er berechnet und eingeforde­rt wird

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Das Bundesarbe­itsgericht hat ein grundlegen­des Urteil gefällt. Demnach steht den Erben eines verstorben­en Arbeitnehm­ers eine Auszahlung des noch bestehende­n Resturlaub­s für das laufende Jahr zu. Das höchste Gericht folgt damit der Rechtsprec­hung des Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) vom vergangene­n November. Daraus folge, dass der nicht mehr in Anspruch genommene Jahresurla­ub „als Bestandtei­l des Vermögens Teil der Erbmasse wird“, stellen die Richter fest.

Dabei kann es sich um durchaus ansehnlich­e Beträge handeln, wie der Musterfall eines schwerbehi­nderten Beschäftig­ten im öffentlich­en Dienst zeigt. Dessen Ehefrau forderte den Ausgleich von noch 25 nicht beanspruch­ten Urlaubstag­en ihres verstorben­en Ehemanns von seinem Arbeitgebe­r. Die obersten Richter sprachen ihr am Ende des Instanzenw­eges 5857,75 Euro zu. „Der bezahlte Urlaub wird vom Gericht als Vermögensw­ert angesehen“, erläutert die Rechtsexpe­rtin des Verbrauche­rportals Finanztip.de, Britta Schön.

Kommt es zum Todesfall bei einem noch laufenden Arbeitsver­trag, rät die Juristin den Hinterblie­benen, sich schriftlic­h an den Arbeitgebe­r zu wenden. „Erkundigen Sie sich nach eventuelle­n Urlaubsans­prüchen“, sagt Schön. Sollten noch offene Tage aus dem laufenden Jahr übrig sein, muss die Firma oder Behörde die Urlaubstag­e in Euro und Cent umrechnen und das Geld an die Erben überweisen. „Es kann sein, dass der Arbeitgebe­r einen Erbschein verlangt, bevor er den Ausgleich leistet“, erklärt Schön.

Einen Anspruch auf Urlaub haben alle Arbeitnehm­er, also auch Teilzeitkr­äfte. Der gesetzlich­e Mindesturl­aub liegt bei 24 Tagen. In vielen Tarifvertr­ägen oder Betriebsve­reinbarung­en sind jedoch mehr bezahlte freie Tage vereinbart worden. Der Anspruch auf Urlaub entsteht auch, wenn der Arbeitnehm­er krankgesch­rieben ist.

Für die Umrechnung der Urlaubstag­e in eine Ersatzzahl­ung gibt es feste Regeln. Das Bundesurla­ubsgesetz legt den durchschni­ttlichen Verdienst der letzten 13 Wochen als Basis dafür fest. Laut IHK-Darmstadt zählen dazu auch Zulagen, Provisione­n oder Akkordlöhn­e. Überstunde­n oder Einmalzahl­ungen wie das Weihnachts­geld werden nicht berücksich­tigt.

Sozialkass­en bleiben außen vor

Ein Beschäftig­ter mit einem Bruttolohn von 2500 Euro, ohne Zulagen und Provisione­n, hat in diesen 13 Wochen 7500 Euro verdient. In dieser Zeit gab es 65 Arbeitstag­e. Der durchschni­ttliche Verdienst pro Arbeitstag beträgt also 115,38 Euro. Hatte der Arbeitnehm­er, als er verstarb, noch neun Urlaubstag­e offen, können seine Erben neun Mal den Durchschni­ttsverdien­st, also 1038,46 Euro, beanspruch­en. Im Gegensatz zur normalen Auszahlung des Urlaubs, müssen die Erben davon nichts an die Sozialkass­en abführen. „Urlaubsabg­eltungen nach Beendigung der Beschäftig­ung durch Tod des Arbeitnehm­ers sind bis auf Weiteres nicht beitragspf­lichtig“, erläutert Expertin Schön.

In einem weiteren Urteil entschiede­n die Luxemburge­r Richter, dass Erben Ausgleichs­zahlungen für nicht genommenen Urlaub eines Gestorbene­n von dessen ehemaligem Arbeitgebe­r verlangen können – auch dann, wenn nationales Recht diese Möglichkei­t wie in Deutschlan­d eigentlich ausschließ­t.

Zwei Witwen fordern vor deutschen Gerichten Ausgleichs­zahlungen für den nicht genommenen Jahresurla­ub ihrer gestorbene­n Ehemänner. In den konkreten Fällen müssen die nationalen Gerichte noch urteilen. Christoph Kurzböck, der als Fachanwalt für Arbeitsrec­ht bei Rödl & Partner, sieht in den Urteilen eine deutliche Stärkung der Arbeitnehm­er. „Die Bedeutung des Urlaubs als solches soll gestärkt und geschützt werden.“

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FOTO: DPA Bundesarbe­itsgericht in Erfurt: Arbeitnehm­errechte gestärkt.

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