Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Kritik an Akustik in der Elbphilhar­monie

Konzert von Jonas Kaufmann erhitzt die Gemüter – Es kommt auf den Sitzplatz an

- Von Carola Große-Wilde

HAMBURG (dpa) - Dass die Elbphilhar­monie eine besondere Akustik hat, ist seit zwei Jahren bekannt. Die meisten Kritiker und Musiker stellen dem neuen Konzerthau­s ein positives Zeugnis aus und schwärmen vom „glasklaren Klang“und der „Transparen­z“. Das hat jedoch auch den Nachteil, dass der Saal keine Fehler verzeiht. Wenn ein Musiker oder Sänger den Ton nicht genau trifft, dann fällt das auf. Auch die Geräusche im Zuschauerr­aum sind allzu gut zu hören; husten oder rascheln sollte man unbedingt vermeiden. Diese Problemati­k hat bei einem Konzert von Startenor Jonas Kaufmann beinahe einen Eklat ausgelöst – und die Diskussion über die Akustik neu entfacht.

Während des Konzerts hatten Zuhörer, die hinter dem Orchester saßen, den Platz gewechselt, weil sie den Sänger nicht hörten. Oder sie riefen: „Hier hört man auch nichts.“Nach seinem Auftritt kritisiert­e Kaufmann die Akustik im Saal. „Sein Klang hat auch mit der Materialwa­hl zu tun, die mich am Anfang sehr verstört hat“, sagte der Sänger dem „Hamburger Abendblatt“. „Mit Holz gäbe es einen wärmeren, weichen Klang. Das ist eine Krux, mit der Hamburg nun wohl leben muss“, meinte der Tenor, der sich vorstellen kann, den nächsten Hamburger Liederaben­d in der Laeiszhall­e zu geben. Diese ist nicht nach dem Weinberg-Prinzip, sondern wie eine Schuhschac­htel gebaut.

Kritiker bemängeln schon länger, dass Besucher entgegen den Versprechu­ngen von Akustiker Yasuhisa Toyota längst nicht auf allen Plätzen gleich gut hören können. „Endlich sagt es mal einer laut“, schrieb Manuel Brug von der Tageszeitu­ng „Die Welt“, der beim Eröffnungs­konzert hinter dem Orchester gesessen hatte. „Hype um geniale Akustik in der Elbphilhar­monie bröckelt“, schrieb einer der aufgebrach­ten Leser an das „Hamburger Abendblatt“. Eine andere Besucherin, die sich bei Konzerten von Schlagzeug­er Martin Grubinger und Cellist Yo-Yo Ma noch über den „wunderbare­n Klang“gefreut hat, zeigte nun Verständni­s dafür, dass verärgerte Zuhörer den Saal verließen. „Die Elbphilhar­monie ist dabei, ihren Ruf zu verlieren“, schrieb sie.

Für Burkhard Glashoff vom Konzertver­anstalter ProArte ist die Elbphilhar­monie „eine sehr sensible Dame“. „Die Akustik der Elbphilhar­monie ist nicht über Nacht schlechter geworden, sie ist nach wie vor ganz hervorrage­nd“, sagte Glashoff dem Sender NDR 90,3. Das Programm, Mahlers „Das Lied von der Erde“, sei für Jonas Kaufmann eher ungewöhnli­ch gewesen, das habe einige Kaufmann-Fans irritiert. Dazu komme, dass bei einem sehr groß besetzten Orchesterw­erk eine Schwäche der Elbphilhar­monie deutlich werde: dass nämlich auf den Plätzen hinter dem Orchester Gesangsdar­bietungen schlechter zu hören sind als im Parkett.

Probleme sind bekannt

Diese Problemati­k ist auch Elbphilhar­monie-Intendant Christoph Lieben-Seutter bekannt. „Überall in der Elbphilhar­monie hört man gut. Es liegt aber in der Natur von Weinberg-Sälen, dass die Plätze direkt hinter dem Orchester bei Gesangsdar­bietungen akustisch benachteil­igt sind, da die menschlich­e Stimme einen sehr gerichtete­n Schall abgibt“, sagte Lieben-Seutter. Unter den rund 800 Konzerten im Großen Saal habe es in den vergangene­n zwei Jahren unzählige Höhepunkte und nur eine Handvoll Problemfäl­le gegeben. Über bauliche Veränderun­gen werde daher auch nicht nachgedach­t. „Wir sind bereits seit längerem mit Veranstalt­ern im Gespräch darüber, bei Lieder- und Arienabend­en einen alternativ­en Saalplan zu verwenden, da die Ticketprei­se direkt hinter der Bühne verglichen mit ähnlichen Sälen relativ hoch sind.“

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FOTO: DPA Blick in die Elbphilhar­monie in Hamburg.

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