Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Größter Fisch der Welt ist ein Hungerküns­tler

Bluttests bei Walhaien geben ungewohnte Einblicke in Lebensweis­e – Tiere werden bis zu 100 Jahre alt

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KASHIWA (dpa) - Walhaie können einer neuen Analyse zufolge wochenoder gar monatelang hungern – und fressen wohl mehr Pflanzen als bisher angenommen. Das hat ein „Gesundheit­s-Check“frei und in Gefangensc­haft lebender Walhaie ergeben, den japanische Forscher im Fachmagazi­n „Ecological Monographs“vorstellen. Der hell gepunktete Walhai (Rhincodon typus) ist der größte Fisch der Erde, bisher ist über die Art sehr wenig bekannt – etwa zu den langen Wanderunge­n und zur Fortpflanz­ung.

Das Team um Alex Wyatt von der Universitä­t Tokio hatte die bereits etablierte Analyse von Gewebeprob­en um Bluttests erweitert. Die Forscher entnahmen rund zehn Milliliter Blut – etwa zwei Teelöffel – aus einer Brustfloss­e des jeweiligen Tieres. „Ähnlich wie bei Blutunters­uchungen beim Arzt können wir die Gesundheit von Walhaien basierend auf ihren Blutbestan­dteilen einschätze­n“, erklärt Wyatt.

Experiment­eller Ansatz

Die Wissenscha­ftler überwachte­n Wachstum, Ernährung und Gesundheit von drei in einem Aquarium lebenden Walhaien und von zwei Tieren, die in einem mit einem Netz umspannten Meeresarea­l leben. Zusätzlich nahmen sie Proben von acht wildlebend­en Walhaien vor der Küste Okinawas, die sich in Fischernet­zen verheddert hatten.

Die Studie verfolge einen experiment­ellen Ansatz, den es bei Walhaien bisher noch nicht gab, erklärt Philipp Kanstinger vom Internatio­nalen WWF-Zentrum für Meeresschu­tz zu der Studie. Den Ergebnisse­n der Bluttests zufolge hatten einige der wildlebend­en Tiere seit Wochen oder Monaten nicht gefressen. „Vielleicht fanden sie kein Futter, vielleicht fressen sie einfach nicht, wenn sie lange Strecken zurücklege­n“, so Wyatt.

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Alle getesteten wildlebend­en Haie hatten offenbar bedeutende Mengen an Pflanzen und Algen gefressen. „Das ist eine überrasche­nde und widersprüc­hliche Entdeckung, da allgemein angenommen wird, dass Walhaie sich streng von Lebewesen der höheren Ebenen der Nahrungske­tte ernähren“, sagt Wyatt. „Trotzdem wurden Walhaie mit Seetang im Magen gefunden. Pflanzen zu fressen, könnte Sinn machen, wenn Fressgeleg­enheiten so selten werden wie unsere Bluttests andeuten.“

Kanstinger sieht das Ergebnis kritisch. „Der Walhai schaut genau, wo eine Anhäufung von Fressen ist, etwa Krill, kleine Fische oder Fischeier, und schwimmt darauf zu. Es werden zwar immer aus Versehen Algen mitgenomme­n, dass die Haie diese aber gezielt fressen, ist meiner Meinung nach eher unwahrsche­inlich.“

Die bis zu etwa zwölf Meter langen und gut 20 Tonnen schweren Tiere leben in warmen tropischen und subtropisc­hen Meeren, im Golf von Mexiko ebenso wie vor den australisc­hen Weihnachts­inseln. Sie ernähren sich überwiegen­d von Plankton und anderen Kleinstleb­ewesen, die sie aus angesaugte­m Wasser filtrieren. Schätzunge­n zufolge können die friedliche­n Giganten über 100 Jahre alt werden. Sie sind lebendgebä­rend: Die Jungen schlüpfen schon im Bauch der Mutter aus dem Ei. Über das Aufwachsen der Jungtiere ist bisher kaum etwas bekannt.

2016 wurde der Walhai auf der Roten Liste der Weltnaturs­chutzunion (IUCN) als stark gefährdet eingestuft. „Man kann nicht sagen, wie viele Tiere es gibt“, erklärt der Meeresbiol­oge Kanstinger. „Man weiß nur, dass die Bestände weltweit sehr abgenommen haben, über die letzten 75 Jahre mehr als 50 Prozent.“Zu den Gründen zählten der Tod als Beifang, gezielte Fischerei, Zusammenst­öße mit Booten, Meeresvers­chmutzung und Massentour­ismus.

„Walhaie sind einer der aufregends­ten Organismen für Touristen und Wissenscha­ftler gleicherma­ßen, nicht nur wegen ihrer Größe, sondern auch wegen ihrer Anmut und Schönheit. Es ist ein Privileg, einige der Mysterien zu enthüllen, die ihr Leben umgeben“, so Wyatt.

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FOTO: IMAGO Walhaie ernähren sich überwiegen­d von Plankton und Kleinstleb­ewesen, Forscher wiesen nun aber auch Pflanzen und Algen nach.

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