Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
In Tuttlingen bleibt der Gastank leer
Die letzte Tankstelle für Erdgas im Landkreis Tuttlingen hat geschlossen
TUTTLINGEN - Die letzte Tankstelle im Kreis, die CNG-Gas für Autos vertrieben hat, hat den Verkauf dauerhaft eingestellt. Die betroffenen Autofahrer haben nun das Nachsehen. Die Gründe für die Schließung: Während der Markt in Deutschland wächst, ist in Tuttlingen die Nachfrage zu gering.
Jürgen Kaufmann ist Allgemeinmediziner und arbeitet in Emmingen-Liptingen. Regelmäßig ist er in seinem Opel-Zafira zu Patienten unterwegs. Seit mehreren Wochen wird ihm das aber erschwert. Denn: Der Zafira fährt mit Erdgas und im ganzen Landkreis Tuttlingen gibt es keine Tankstelle mehr, die den Kraftstoff anbietet.
Wenn Kaufmann tanken will, muss er nun nach Villingen-Schwenningen, Stockach oder Engen fahren. Nur da gibt es noch Tankstellen, bei denen der Mediziner CNG-Kraftstoff bekommt. Denn die einzige Tankstelle im gesamten Landkreis, die das Gas im Angebot hatte, die Aral in Tuttlingen, hat den Verkauf eingestellt. Jetzt muss Kaufmann viele Kilometer zusätzlich in Kauf nehmen, nur um seinen Tank zu füllen. „Wenn ich den halben Tank leer fahren muss, um zu tanken, dann ist das hochgradig ärgerlich“, sagt Kaufmann. Der Landkreis Tuttlingen ist ein weißer Fleck auf der ErdgasLandkarte.
Umweltfreundlicher als Diesel
Dabei hatte sich der Mediziner vor allem für den Antrieb entschieden, weil er als umweltfreundlicher gilt als etwa Benzin oder Diesel. „Da will man einen sauberen Antrieb fördern und dann stellt die einzige Tankstelle das CNG einfach ab“, sagt Kaufmann. Denn bei den Werten für Feinstaub, Stick- und Kohlenstoffdioxid schneidet das Erdgas deutlich besser ab als etwa bei Dieselfahrzeugen. Bei den 30 000 Kilometern, die bei Kaufmann innerhalb eines Jahres auf dem Tacho zustande kommen, ein deutliches Einsparpotential.
Seit Ende 2018 gibt es den Kraftstoff bei der Aral-Tankstelle in Tuttlingen nicht mehr. Immer wieder war die Zapfsäule wegen technischer Defekte ausgefallen. Nun ist sie dauerhaft stillgelegt. Auf Nachfrage unserer Zeitung verweist Aral auf die Eon Gas Mobil GmbH. Zwar hatte die Aral den CNG-Verkauf abgewickelt, Betreiber ist allerdings das Unternehmen in Essen. Eon betreibt deutschlandweit 103 CNG-Standorte. Tendenz steigend. Fünf bis sieben Standorte im Jahr kommen hinzu.
Doch in Tuttlingen ist endgültig Schluss, sagt Geschäftsführer Olaf Rumberg. „Die Absatzmengen in Tuttlingen waren zu gering“, sagt er. Im Schnitt gab es laut des Unternehmens pro Monat weniger als 100 Betankungen am Standort Tuttlingen. Da die Anlage sehr hohe Betriebskosten verursache, könne sie nicht weiterbetrieben werden. Dabei hatte Eon die Säule erst 2018 in einem Paket mit zwölf weiteren Anlagen vom Energieversorger Badenova gekauft. Eine sechsstellige Summe sei nötig gewesen, um die teils defekten Säulen wieder in Betrieb zu nehmen. Eine Investition, die sich für Eon zu rechnen scheint – nur eben nicht in Tuttlingen. Alle anderen Säulen aus dem Badenova-Paket seien weiterhin in Betrieb. „In Tuttlingen geht das einfach nicht mehr“, so Rumberg. „Für CNG ist Tutllingen eine Wüste.“
Dass Rumberg damit recht haben könnte, zeigen auch die Zahlen: Laut Landratsamt sind im Landkreis gerade einmal 52 Fahrzeuge mit CNGoder LPG-Antrieb zugelassen. Zu wenig für Eon. „Wir machen das nicht gerne, aber wir reißen auch kein großes Loch in die Versorgung“, sagt Rumberg. „Es gibt einfach manchmal Regionen, in denen sich das nicht verfängt.“Wie es mit der stillgelegten Säule bei der Aral-Tankstelle weitergeht, ist derweil unklar. Einen konkreten Termin für den Rückbau gebe es nicht. Die einzige Chance für den Weiterbetrieb: Es findet sich ein neuer Betreiber. „Noch ist das Ding warm“, sagt der Eon-Geschäftsführer. Er würde die Säule liebend gerne verkaufen – vielleicht an eine Kommune. Und zwar „für sehr wenig Geld“. „Ein lokaler Partner könnte das Geschäft durchaus wiederbeleben“, so Rumberg.
Stadt setzt auf Elektro
Die Stadt Tuttlingen kommt dafür aber wohl nicht in Frage. Der Tuttlinger Bauhof schafft gerade sein einziges Erdgas-Fahrzeug ab und ersetzt es durch ein Elektrofahrzeug. Laut Stadtsprecher Arno Specht eine Entscheidung, die schon gefallen war bevor die Säule geschlossen wurde: Wegen der zu großen Abhängigkeit von einer einzigen Zapfsäule.
Ob sich also noch ein Käufer findet, steht derzeit in den Sternen. Für den Arzt Jürgen Kaufmann heißt das, dass er die weiten Wege zum Tanken wohl erst mal weiter in Kauf nehmen – oder sich nach einem neuen Auto umschauen muss.