Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Clever genug
Thomas Dreßen schaut in Kitzbühel mit Optimismus zu
KITZBÜHEL (dpa) - Thomas Dreßen ist verrückt und schlau. Der Skirennfahrer vom SC Mittenwald zählt zu den wenigen Menschen, die sich die Streif in Kitzbühel hinunterstürzen und das berühmteste Abfahrtsrennen der Welt dann auch noch gewinnen. Und der 25-Jährige ist clever genug, ein Jahr nach diesem Erfolg bei der Rückkehr zu den Hahnenkammrennen draußen freiwillig nur mit einer stabilen Schiene am Knie umherzulaufen und acht Wochen nach seinem Kreuzbandriss nicht den starken Mann zu mimen. Zu groß ist die Gefahr, dass eine unkontrollierte Bewegung auf Schnee den Heilungsprozess wochenlang ausbremst.
„Es hat schon ein bisschen wehgetan in der Magengrube“, sagt der Bayer über den Verzicht auf den Klassiker am Samstag. „Ich kann mich an relativ viel erinnern, was an dem Tag passiert ist. Aber am meisten an den Moment im Ziel, als ich mich gefreut habe.“Vor zwölf Monaten schrie Dreßen, gefeiert von mehreren zehntausend Zuschauern, seine unbändige Freude hinaus. „Wenn man die Anzeigetafel sucht, jubelt und realisiert, dass man führt. Das war schon cool.“
Als „Legende“, wie ihn Rennchef Markus Waldner vom Skiweltverband nach dem Sieg am 20. Januar 2018 bezeichnete, fühlt er sich noch immer nicht. „Für mich war es einfach von klein auf ein Traum, die Abfahrt in Kitzbühel zu gewinnen. Aber ich fühle mich nicht anders deswegen“, sagt er. „Mir ist immer noch lieber, wenn mich jemand auf meine Harley anspricht und ich nicht auf den Sieg in Kitzbühel reduziert werde.“
Am 30. November waren alle Chancen auf einen erneuten Coup auf der Streif dahin. Der beste deutsche Abfahrer stürzte beim Weltcup in Beaver Creek und rauschte mit 125 km/h ins Sicherheitsnetz. Folge: Ein Riss des vorderen Kreuzbandes im rechten Knie und eine ausgekugelte linke Schulter, die er sich an Ort und Stelle selbst wieder einrenkte. Weil aber auch ein Stück vom Knorpel weggesprengt wurde, folgt am 30. Januar eine Operation an der Schulter, die für die Reha am Knie gar kein Nachteil ist.
„Wir sind gerade in einer Phase, in der es nicht verkehrt ist, wenn das Knie etwas Ruhe bekommt“, meint Dreßen. „Für mich ist es meine erste schwere Knieverletzung, ich kenne mich deswegen nicht aus und kann nur von meinem Gefühl ausgehen. Und das ist super.“
„Er sprudelt vor Energie, wirklich cool“, sagt Cheftrainer Mathias Berthold. „Von Anfang an war der so extrem positiv vom Kopf her. Das ist schon gut. Diese positive Einstellung hat nie abgenommen bei ihm. Das Mentale spielt schon eine Rolle im Heilungsprozess.“Ohne Dreßen und den ebenfalls am Kreuzband verletzten Andreas Sander starten nur drei Deutsche im Super-G am Freitag und der Abfahrt am Samstag (je 11.30 Uhr/ ZDF und Eurosport).