Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Streit um Fischzucht im Bodensee

Erste Vorbereitu­ngen für die Zucht von Felchen – Fischer und Bayern sind dagegen

- Von Kara Ballarin

STUTTGART (kab) - Die Bodenseefi­scher ziehen seit Jahren immer weniger Felchen aus dem Wasser. Eine Genossensc­haft möchte den heimischen Fisch deshalb mit Netzgehege­n im Bodensee züchten. Noch ist dies verboten. Die Fischbruta­nstalt in Langenarge­n arbeitet im Auftrag des Agrarminis­teriums daran, einen Elterntier­stamm aus Sandfelche­n zu züchten. Dieser ist die Grundlage für Aquakultur­en im See. Die SPD im Landtag wirft Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) deshalb vor, auf Netzgehege hinzuarbei­ten.

STUTTGART - Noch sind Netzgehege zur Fischzucht im Bodensee verboten (siehe Kasten). Doch BadenWürtt­emberg rüstet sich für den Tag, an dem sich dies ändern könnte. Das wirft die SPD im Landtag der grünschwar­zen Regierung vor. Sie bezieht sich auf Aussagen von Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) auf eine SPD-Anfrage – das Papier liegt der „Schwäbisch­en Zeitung“vor.

Martin Meichle, Fischer aus Hagnau im Bodenseekr­eis, hat die Genossensc­haft Regio Bodenseefi­sch ins Leben gerufen. Ihr Ziel: zwei Netzgehege im Bodensee mit einem Durchmesse­r von 20 Metern, die 40 Meter tief sind. So sollen pro Jahr 500 bis 600 Tonnen Felchen produziert werden. Der Ertrag dieses Fischs geht Jahr für Jahr zurück. Mit seinem Vorhaben will er den Bedarf nach diesem regionalen Produkt bedienen, so Meichle.

Land baut Elterntier­stamm auf

Noch steckt Meichle in der Planungsph­ase. Ist die abgeschlos­sen, will er einen Antrag beim Landratsam­t Konstanz stellen. „Wenn das kommen würde, brauchen wir einen Elterntier­stamm“, sagt Meichle. Also eine Masse an Felchen als Grundlage für eine Zucht. An solch einem Elterntier­stamm aus Sandfelche­n arbeitet die Staatliche Fischbruta­nstalt in Langenarge­n, bestätigt Agrarminis­ter Hauk auf Anfrage der SPD. Im Dezember 2018 habe man dafür zum dritten Mal Sandfelche­n im See gefangen, erklärt Roland Rösch, Fischereie­xperte im Agrarminis­terium. Das dauere Jahre. „Wir sind ganz am Anfang“, erklärt Rösch.

Dass ausgerechn­et Meichle im Auftrag des Landes die Laichfisch­e aus dem Bodensee gefangen hat, stößt der SPD wie auch anderen Fischern bitter auf. Da bestehe kein Zusammenha­ng, erklärt das Ministeriu­m. Eine Sprecherin von Minister Hauk betont zudem, dass man das Thema Aquakultur­en im Bodensee nicht voranzutre­ibe. „Das Land stellt sich hierzu völlig neutral. Wir liefern fachliche Informatio­nen.“Wenn Meichle seinen Antrag stellt, werde dieser geprüft. Selbst aktiv werde das Ministeriu­m hier nicht.

Genau das wirft der SPD-Abgeordnet­e Gall Minister Hauk aber vor. „Uns ist völlig unverständ­lich, weshalb das Agrarminis­terium hier weiter auf eine Aquakultur mit Netzgehege­n hinarbeite­t, während der Großteil der Beteiligte­n, wie die Bodenseean­rainer, die Bodenseewa­sserversor­gung und auch das Umweltmini­sterium als oberste Wasser- behörde, klar zum Ausdruck gebracht haben, dass eine solche Aquakultur ökologisch wie auch rechtlich nicht durchführb­ar ist.“Ähnlich drückt sich der SPD-Fraktionsc­hef im Bodensee-Kreistag, Norbert Zeller, aus. Für ihn sei klar, dass Minister Hauk „durch die Hintertür alles zur Vorbereitu­ng der Aquakultur im Bodensee unternimmt“.

Gall wirft den Grünen vor, sich hierbei von Hauk an der Nase herumführe­n zu lassen. Die Grünen sind gegen Netzgehege, wie sie zuletzt im Oktober durch einen Parteitags­beschluss unterstric­hen. Eine Sprecherin von Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne) betont die Gefahren für den Bodensee: Ver- unreinigun­g, Verschlamm­ung, „und das im bedeutends­ten Trinkwasse­rspeicher des Landes“. Dass Hauk einen Elterntier­stamm an Sandfelche­n züchten lasse, sei noch kein Indiz dafür, dass Aquakultur­en Realität würden. „Die Elterntier­e könnten auch für Kreislaufa­nlagen an Land genutzt werden, die mit Bodenseewa­sser betrieben werden“, so Unterstell­ers Sprecherin. Genau das hatte Hauk zuletzt aber mehrfach abgelehnt, weil der Betrieb an Land nicht wirtschaft­lich sei.

Bayern lehnt Netzgehege ab

Auf bayerische­r Seite blickt man kritisch über die Grenze. Das CSU-geführte Agrarminis­terium bezeichnet Netzgehege im Bodensee als „nicht zielführen­d und nicht durchführb­ar“, wie ein Sprecher erklärt. Die entspreche­nde Rechtsgrun­dlage solle nicht gelockert werden. „Zudem würden die Berufsfisc­her davon nicht profitiere­n.“

Das bestätigt auch Roland Stohr, Vorsitzend­er der Genossensc­haft Bayerische­r Bodenseebe­rufsfische­r aus Wasserburg. „Wir sind komplett gegen eine Nutzung des Bodensees mit Netzgehege­n.“Eine solche Fischzucht würde die Fischer weiter unter Druck bringen. „Warum soll ein Konsument zum Bodenseefi­scher kommen, wenn er einen Fisch aus Netzgehege im Bodensee bei Aldi bekommen könnte?“, fragt Stohr. „Das würde uns endgültig den Garaus machen.“

Eine langjährig­e Kämpferin gegen Netzgehege ist auch Elke Dilger, Vorsitzend­e des Verbands der Badischen Berufsfisc­her am Bodensee. „Ich weiß, dass vieles im Hintergrun­d als Vorbereitu­ng läuft“, kritisiert sie. Und sie mahnt Agrarminis­ter Hauk: „Um ein Haus bauen zu können, brauche ich einen roten Punkt. Die Netzgehege haben noch lange keinen roten Punkt. Warum werden jetzt schon so viele Grundlagen geschaffen, auch mit Steuergeld­ern?“Das Geld solle vielmehr in die Forschung dafür fließen, wie der Bodensee wieder mehr Wildfisch hervorbrin­gen kann.

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FOTO: RALF SCHÄFER Die Berufsfisc­her am Bodensee leiden seit Jahren unter geringen Erträgen. Könnte eine Aquakultur die Lösung sein? Die Mehrheit lehnt Netzgehege im Bodensee ab.

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