Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Jedes vierte Kind hat Sprachprob­leme

Kultusmini­sterin will Förderung in Kita stärken – Bildungsbe­richt zeigt weitere Defizite

- Von Kara Ballarin und lsw

STUTTGART - Mindestens jedes vierte Kindergart­enkind im Südwesten kann für einen erfolgreic­hen Schulstart nicht gut genug Deutsch sprechen. Etwa 28 Prozent dieser Kinder zeigten bei der Einschulun­gsuntersuc­hung zusätzlich­en intensiven Sprachförd­erbedarf, geht aus dem am Donnerstag in Stuttgart vorgestell­ten Bildungsbe­richt hervor. Auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“sprach das Kultusmini­sterium jüngst sogar von 40 Prozent mit Sprachprob­lemen.

„Die Zahlen bestätigen erneut unseren Handlungsb­edarf: Wir müssen uns noch mehr darum kümmern, dass der Start in der Grundschul­e für alle Kinder optimal ist“, sagte Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU). „Deshalb weiten wir die Sprachförd­erung in den Kitas aus und stellen sie auf neue Beine.“

Das Land gibt jährlich 27,5 Millionen Euro für Sprachförd­erung aus. Die bestehende­n Programme hat das Ministeriu­m nun zusammenge­führt, zum Teil verändert und mit Neuem ergänzt. Das Budget wird um sieben Millionen Euro pro Jahr aufgestock­t. Damit sollen nicht nur Sprachdefi­zite angegangen werden. Neu sind Förderange­bote, durch die die Kinder ihre motorische­n, sozialen und mathematis­chen Fähigkeite­n trainieren sollen. Bei 25 bis 30 Prozent der Kinder und Jugendlich­en im Südwesten entspreche der Entwicklun­gsstand nicht dem Alter, sagte Daniela Krämer vom Landesinst­itut für Schulentwi­cklung bei der Vorstellun­g des Bildungsbe­richts.

Mit dem neuen Konzept zur sprachlich­en und elementare­n Förderung würde man dem Förderbeda­rf der Kinder noch besser entspre- chen können, so Eisenmann. Ab dem Kindergart­enjahr 2019/20 sollen Kitas den Eltern etwa verbindlic­h ein Entwicklun­gsgespräch im Anschluss an die Einschulun­gsuntersuc­hung anbieten. Zusätzlich investiere das Land in die Qualifizie­rung von Sprachförd­erkräften, die Anfang 2019 starte. Eisenmann sagte, sie wolle an den Schulen eine „Kultur des Hinschauen­s“etablieren.

Der Bildungsbe­richt zeigt weiteren Handlungsb­edarf. So ist etwa die Zahl der Schulabgän­ger ohne Hauptschul­abschluss zum ersten Mal seit Jahren wieder gestiegen.

STUTTGART (lsw) - Der Bildungsbe­richt gibt auf seinen rund 330 Seiten eine Übersicht über die vorschulis­che und schulische Bildung im Land – und er macht alle paar Jahre auch auf Schwachste­llen aufmerksam. Neben den Zahlen zu den sprachlich­en Defiziten bei Schulkinde­rn, nach denen mehr als jedes vierte Kind Sprachprob­leme vor dem Schulstart aufweist, zeigt der aktuelle Statistik-Wälzer noch weitere Erkenntnis­se:

Trend zu höheren Schularten:

Seit die Grundschul­empfehlung im Land nicht mehr verbindlic­h ist, wechseln immer mehr Kinder entgegen der Empfehlung ihrer Lehrer auf höhere Schularten. Von Kindern mit einer Empfehlung für die Werkreal-/Hauptschul­e gehen etwa fast 25 Prozent auf die Realschule. Im Schuljahr 2017/2018 wechselten nur noch 5,7 Prozent der Kinder auf die Hauptschul­en. 2011/12 waren es noch 24 Prozent.

Akademisie­rung: Der ungebroche­ne Trend zu höheren Abschlüsse­n wird weiter verstärkt durch eine zunehmende Akademisie­rung: 33,5 Prozent der Schüler, die 2017 von der Schule gingen, hatten die Hochschulr­eife, weitere 11,6 die Fachhochsc­hulreife. Im Jahr 2000 nahmen noch 82 Prozent der Abiturien- ten ein Studium auf, inzwischen sind es 87 Prozent eines Jahrgangs mit Hochschulz­ugangsbere­chtigung. Dabei ist zu beobachten: Je höher der Abschluss, desto höher der Anteil der Mädchen.

Inklusion: Die Inklusions­quote steigt. Immer mehr Schüler mit Anspruch auf ein sonderpäda­gogisches Bildungsan­gebot werden in Baden-Württember­g inklusiv unterricht­et.

Steigende Nachfrage nach Lehrern: Baden-Württember­g hat mit über elf Millionen Einwohnern zum Jahresende 2017 einen neuen Höchststan­d erreicht. Der Bevölkerun­gsanstieg führt zu einer steigenden Nachfrage nach Bildungs- und Betreuungs­angeboten. In den kommenden Jahren gehen zahlreiche Lehrer der geburtenst­arken Jahrgänge in den Ruhestand.

Weniger ausländisc­he Studenten in Baden-Württember­g: 2017 waren insgesamt 17 400 ausländisc­he Studienanf­änger an den Hochschule­n im Land eingeschri­eben. Jedoch ging die Zahl der Bildungsau­sländer 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 8,5 Prozent zurück. Die Zahl der Studenten aus dem Nicht-EU-Ausland verringert­e sich sogar um 10,6 Prozent. Für alle Nicht-EU-Bürger wurden zum Winterseme­ster 2017/2018 Studiengeb­ühren eingeführt, was dem Bericht zufolge die Ursache für die deutliche Entwicklun­g sein könnte.

Mehr Kinder mit Migrations­hintergrun­d: Der Anteil der Schüler mit Migrations­hintergrun­d an allgemeinb­ildenden Schulen lag im Schuljahr 2017/2018 bei 24,3 Prozent – und ist damit seit 2013/2014 um fünf Prozentpun­kte gestiegen. „Die Schulen stehen vor der Herausford­erung der interkultu­rellen Öffnung“, heißt es in dem Bildungsbe­richt.

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FOTO: DPA 2017 verließen 33,5 Prozent der Jugendlich­en die Schule mit der Hochschulr­eife.

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