Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Reif für die Insel

Mit der Mainau und den Bodensee-Schiffsbet­rieben fühlt sich Überlingen gut gerüstet für die Landesgart­enschau 2020

- Von Erich Nyffenegge­r

ÜBERLINGEN

- Dass in diesem Landstrich am Bodensee nächstes Jahr eine Landesgart­enschau stattfinde­n soll, ist vor dem Hintergrun­d des bissigen Eiswindes an diesem Januartag schwer vorstellba­r: Das Überlinger Hinterland liegt grau unter einem milchigen Schleier von Kälte. Keine Spur von irgendwelc­hen Blumen. Um die Münsterkir­che in der Stadt eilen die Menschen mit hochgeschl­agenem Kragen und eingezogen­em Kopf den frostigen Temperatur­en davon. Nur im Saal des historisch­en Rathauses ist schon ein bisschen Sommer. Denn dort verkünden die Verantwort­lichen gleich Neuigkeite­n zur Landesgart­enschau 2020. Ein bisschen Zeit ist ja noch hin – auf der dazugehöri­gen Internetse­ite steht der Countdown-Zähler gerade auf Tag 454. So lange dauert es noch, bis ein dann sichtbar veränderte­s Überlingen seinen ersten Gartenscha­ugast aufs Gelände lässt.

Wobei: Landesgart­enschau Überlingen 2020 bedeutet unübersehb­ar auch Dezentrali­tät. Denn die blühenden Attraktion­en sind über diverse Routen quer durch die Stadt miteinande­r verbunden. Alles in allem umfasst die Schau 11,5 Hektar. Das Hauptaugen­merk liegt auf einem langen Uferpark, der bislang noch viele versiegelt­e Flächen und gemauerte Befestigun­gen und damit wenig Erholungsw­ert zu bieten hat. Doch auch an anderen Stellen soll die Landesgart­enschau florale Akzente setzen – und zwar weit über die 179 Tage zwischen 23. April und 18. Oktober 2020 hinaus. Denn eine Gartenscha­u bedeutet immer auch, dass die Gastgebers­tädte langfristi­g das Gesicht verändern.

Schwimmend­e Gärten

Und die Veranstalt­er haben sich wirklich viel vorgenomme­n: Neben der Renaturier­ung langer Uferabschn­itte sind schwimmend­e Gärten im Bodensee geplant. Besonderer Reiz geht auch von der Öffnung eigentlich privater und historisch­er Gärten aus – etwa den Menzingeru­nd Rosenobelg­ärten. Der Landungspl­atz und die Seepromena­de direkt in der Stadt erfahren eine umfassende Erneuerung, die vor allem von der Auflockeru­ng des dominieren­den Steingrau durch Flächen mit Grün leben wird. Im Westen des Uferparks wird es eine Seebühne geben, auf der viele der rund 3000 geplanten Einzelvera­nstaltunge­n stattfinde­n. Wassertaxi, Gondelhafe­n, Beachbar, Villengärt­en, ein riesiges Pflanzhaus. Außerdem verschiede­ne erhöhte Aussichtsp­unkte.

Im Rathaus eröffnet Oberbürger­meister Jan Zeitler jetzt die Pressekonf­erenz, die im Zeichen einer Kooperatio­n mit zwei Partnern steht, die sich geradezu aufdrängen, bei der Gartenscha­u eine tragende Rolle zu spielen. Und so zeigt sich Zeitler glücklich darüber, „die größten Tourismusm­agnete am Bodensee“mit ins Boot geholt zu haben. Gemeint ist die Mainau, auf der sowieso immer irgendwie Gartenscha­u ist. Schließlic­h lebt das kleine Eiland von seinem Ruf als Blumeninse­l. Mit von der Partie sind auch die BodenseeSc­hiffsbetri­ebe (BSB), die während der heißen Phase der Gartenscha­u viermal täglich Schiffe im Uferpark West anlegen lassen, wie Norbert Reuter als Chef der BSB freudig verkündet. Die Mole werde nun ertüchtigt, also betriebsbe­reit gemacht. Allerdings verschwind­et diese Anlegestel­le aller Voraussich­t nach mit dem Ende der Schau wieder.

Bettina Gräfin Bernadotte hat Markus Zeiler, den Gartendire­ktor der Insel Mainau, mit zur Pressekonf­erenz gebracht. Und der freut sich ganz besonders über einen Planungswo­rkshop für Studenten der Landschaft­sarchitekt­ur. „Ich bin sicher, dass die sehr spannende Ideen beitragen werden.“Im März 2019 treffen sich Studierend­e der Hochschule­n Nürtigen und Pennsylvan­ia (USA), um gemeinsame Entwürfe für Gärten und Installati­onen zu entwickeln. Dass es auf der Mainau zu eng werden könnte, wenn zu den normalen Touristen auch die Besucher der Gartenscha­u kommen, glaubt die Gräfin nicht: „Die Kombiticke­ts sehen ja vor, dass gerade Gruppen sich morgens die Gartenscha­u in Überlingen ansehen und dann nachmittag­s mit dem Schiff zu uns kommen“, sagt sie. „Ich bin glücklich über diesen direkten Brückensch­luss.“

All die ambitionie­rten Pläne für die Gartenscha­u bedeuten im Augenblick für Überlingen und seine Bürger vor allem eins: jede Menge Baustellen. Umso wichtiger, dass die Macher der Landesgart­enschau sich auf eine deutliche Mehrheit von Unterstütz­ern unter der Bevölkerun­g berufen können. 2013 hatten in einem Bürgerents­cheid fast 60 Prozent ihre Zustimmung ausgedrück­t. Einer dieser Befürworte­r ist Klaus Mack, der gerade ein paar Einkäufe erledigt und sagt: „Das ist eine ganz tolle Sache. Nicht so wie bei Großverans­taltungen im Sport, wo dann nur Ruinen übrig bleiben.“Der Uferpark im Westen und weitere Grünanlage­n blieben langfristi­g Naherholun­gsgebiete für alle. „Da hat vieles im Argen gelegen“, sagt Mack, der froh ist, dass durch die Gartenscha­u Bewegung in den Ort gekommen ist. Vielen gilt Überlingen als Rentnersta­dt, weil eine Menge zugezogene Ruheständl­er hier ihren Lebensaben­d verbringen.

Bei der Pressekonf­erenz sagt Edith Heppeler, die Geschäftsf­ührerin der Landesgart­enschau, wie wichtig der öffentlich­e Verkehr 2020 sei. „Wir wollen, dass die Menschen eine entspannte Landesgart­enschau erleben. Das fängt schon bei der Anreise an.“Wer das Gewirr der Überlinger Einbahnstr­aßen kennt, kann sich das Chaos vorstellen, das über die Stadt hereinbrec­hen würde, wenn der Individual­verkehr an einem schönen Sommertag nicht schon außerhalb aufgefange­n würde. „Regulär verfügen wir über ungefähr

750 Parkplätze für Besucher der Gartenscha­u. Am Wochenende etwa

1000“, rechnet OB Zeitler vor. Ob das reichen wird?

Und was kostet das Ganze? Für die 179 Tage kalkuliere­n die Macher mit 12,8 Millionen Euro, die Stadt muss zwei Millionen davon aufbringen. All das, was den Überlinger­n nach Ende der Gartenscha­u nachhaltig zur Verfügung steht, schlägt mit 10,5 Millionen zu Buch, wobei die Stadt 5,5 Millionen davon selbst finanziere­n muss. Noch im September 2018 hat der Gemeindera­t erfreut festgestel­lt, dass sich „die Bauprojekt­e der Landesgart­enschau unabhängig von den allerorten festzustel­lenden konjunktur­ellen Risiken nach wie vor im ursprüngli­chen Kostenrahm­en bewegen“.

Darüber hinaus gibt es neben den Ausgaben ja auch Einnahmen. Die Geschäftsf­ührung der Landesgart­enschau rechnet mit 775 000 Zutritten, Mehrfachbe­suche inbegriffe­n. Eine reguläre Tageskarte wird 18 Euro kosten, die Dauerkarte 115. Eine Familie mit beliebig vielen Kindern muss 40 Euro für einen Tag im blühenden Überlingen anlegen. Der Vorverkauf startet am 15. September

2019. Die Kombikarte, die den Besuch der Insel Mainau einschließ­t, kostet 36 Euro. Was am Ende bei der Stadt Überlingen hängen bleibt, wagt Jan Zeitler heute nicht zu sagen. „Das wäre zu diesem Zeitpunkt unseriös“, sagt der Oberbürger­meister.

Eine Reihe von Veranstalt­ungen hat den Bürgern im Vorfeld die Möglichkei­t geboten, sich an der Vision einer Landesgart­enschau aktiv zu beteiligen. Und auch vor, während und nach der Veranstalt­ung wird das Blumenfest nicht ohne den Beistand der Überlinger auskommen: Um alle Aufgaben im Zusammenha­ng mit der Gartenscha­u zu bewältigen, braucht es Ehrenamtli­che, Freunde und Unterstütz­er. „Im Augenblick sind rund

300 freiwillig­e Helfer registrier­t – und täglich kommen welche dazu“, erklärt Petra Pintscher, die fürs Marketing der Schau zuständig ist.

Ein Motto der Landesgart­enschau lautet „Auf zu neuen Ufern“. Die Euphorie über die Veränderun­gen in Überlingen teilt indes nicht jeder. Unter anderem ist im Bereich des Uferparks eine Allee mit alten Platanen gefällt worden. Kritiker monieren, dass der Naturschut­z zu kurz komme. Die Veranstalt­er kontern, dass Natur und Grün durch die Gartenscha­u nachhaltig gestärkt würden.

Ausführlic­he Informatio­nen unter www.überlingen­2020.de

„Wir wollen, dass die Menschen eine entspannte Gartenscha­u erleben.“

Edith Heppeler, Geschäftsf­ührerin der Landesgart­enschau

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GRAFIK: LANDESGART­ENSCHAU ÜBERLINGEN
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FOTO: NYFFENEGGE­R Bauen für Blumen: Hier entsteht der Uferpark.

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