Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Reif für die Insel
Mit der Mainau und den Bodensee-Schiffsbetrieben fühlt sich Überlingen gut gerüstet für die Landesgartenschau 2020
ÜBERLINGEN
- Dass in diesem Landstrich am Bodensee nächstes Jahr eine Landesgartenschau stattfinden soll, ist vor dem Hintergrund des bissigen Eiswindes an diesem Januartag schwer vorstellbar: Das Überlinger Hinterland liegt grau unter einem milchigen Schleier von Kälte. Keine Spur von irgendwelchen Blumen. Um die Münsterkirche in der Stadt eilen die Menschen mit hochgeschlagenem Kragen und eingezogenem Kopf den frostigen Temperaturen davon. Nur im Saal des historischen Rathauses ist schon ein bisschen Sommer. Denn dort verkünden die Verantwortlichen gleich Neuigkeiten zur Landesgartenschau 2020. Ein bisschen Zeit ist ja noch hin – auf der dazugehörigen Internetseite steht der Countdown-Zähler gerade auf Tag 454. So lange dauert es noch, bis ein dann sichtbar verändertes Überlingen seinen ersten Gartenschaugast aufs Gelände lässt.
Wobei: Landesgartenschau Überlingen 2020 bedeutet unübersehbar auch Dezentralität. Denn die blühenden Attraktionen sind über diverse Routen quer durch die Stadt miteinander verbunden. Alles in allem umfasst die Schau 11,5 Hektar. Das Hauptaugenmerk liegt auf einem langen Uferpark, der bislang noch viele versiegelte Flächen und gemauerte Befestigungen und damit wenig Erholungswert zu bieten hat. Doch auch an anderen Stellen soll die Landesgartenschau florale Akzente setzen – und zwar weit über die 179 Tage zwischen 23. April und 18. Oktober 2020 hinaus. Denn eine Gartenschau bedeutet immer auch, dass die Gastgeberstädte langfristig das Gesicht verändern.
Schwimmende Gärten
Und die Veranstalter haben sich wirklich viel vorgenommen: Neben der Renaturierung langer Uferabschnitte sind schwimmende Gärten im Bodensee geplant. Besonderer Reiz geht auch von der Öffnung eigentlich privater und historischer Gärten aus – etwa den Menzingerund Rosenobelgärten. Der Landungsplatz und die Seepromenade direkt in der Stadt erfahren eine umfassende Erneuerung, die vor allem von der Auflockerung des dominierenden Steingrau durch Flächen mit Grün leben wird. Im Westen des Uferparks wird es eine Seebühne geben, auf der viele der rund 3000 geplanten Einzelveranstaltungen stattfinden. Wassertaxi, Gondelhafen, Beachbar, Villengärten, ein riesiges Pflanzhaus. Außerdem verschiedene erhöhte Aussichtspunkte.
Im Rathaus eröffnet Oberbürgermeister Jan Zeitler jetzt die Pressekonferenz, die im Zeichen einer Kooperation mit zwei Partnern steht, die sich geradezu aufdrängen, bei der Gartenschau eine tragende Rolle zu spielen. Und so zeigt sich Zeitler glücklich darüber, „die größten Tourismusmagnete am Bodensee“mit ins Boot geholt zu haben. Gemeint ist die Mainau, auf der sowieso immer irgendwie Gartenschau ist. Schließlich lebt das kleine Eiland von seinem Ruf als Blumeninsel. Mit von der Partie sind auch die BodenseeSchiffsbetriebe (BSB), die während der heißen Phase der Gartenschau viermal täglich Schiffe im Uferpark West anlegen lassen, wie Norbert Reuter als Chef der BSB freudig verkündet. Die Mole werde nun ertüchtigt, also betriebsbereit gemacht. Allerdings verschwindet diese Anlegestelle aller Voraussicht nach mit dem Ende der Schau wieder.
Bettina Gräfin Bernadotte hat Markus Zeiler, den Gartendirektor der Insel Mainau, mit zur Pressekonferenz gebracht. Und der freut sich ganz besonders über einen Planungsworkshop für Studenten der Landschaftsarchitektur. „Ich bin sicher, dass die sehr spannende Ideen beitragen werden.“Im März 2019 treffen sich Studierende der Hochschulen Nürtigen und Pennsylvania (USA), um gemeinsame Entwürfe für Gärten und Installationen zu entwickeln. Dass es auf der Mainau zu eng werden könnte, wenn zu den normalen Touristen auch die Besucher der Gartenschau kommen, glaubt die Gräfin nicht: „Die Kombitickets sehen ja vor, dass gerade Gruppen sich morgens die Gartenschau in Überlingen ansehen und dann nachmittags mit dem Schiff zu uns kommen“, sagt sie. „Ich bin glücklich über diesen direkten Brückenschluss.“
All die ambitionierten Pläne für die Gartenschau bedeuten im Augenblick für Überlingen und seine Bürger vor allem eins: jede Menge Baustellen. Umso wichtiger, dass die Macher der Landesgartenschau sich auf eine deutliche Mehrheit von Unterstützern unter der Bevölkerung berufen können. 2013 hatten in einem Bürgerentscheid fast 60 Prozent ihre Zustimmung ausgedrückt. Einer dieser Befürworter ist Klaus Mack, der gerade ein paar Einkäufe erledigt und sagt: „Das ist eine ganz tolle Sache. Nicht so wie bei Großveranstaltungen im Sport, wo dann nur Ruinen übrig bleiben.“Der Uferpark im Westen und weitere Grünanlagen blieben langfristig Naherholungsgebiete für alle. „Da hat vieles im Argen gelegen“, sagt Mack, der froh ist, dass durch die Gartenschau Bewegung in den Ort gekommen ist. Vielen gilt Überlingen als Rentnerstadt, weil eine Menge zugezogene Ruheständler hier ihren Lebensabend verbringen.
Bei der Pressekonferenz sagt Edith Heppeler, die Geschäftsführerin der Landesgartenschau, wie wichtig der öffentliche Verkehr 2020 sei. „Wir wollen, dass die Menschen eine entspannte Landesgartenschau erleben. Das fängt schon bei der Anreise an.“Wer das Gewirr der Überlinger Einbahnstraßen kennt, kann sich das Chaos vorstellen, das über die Stadt hereinbrechen würde, wenn der Individualverkehr an einem schönen Sommertag nicht schon außerhalb aufgefangen würde. „Regulär verfügen wir über ungefähr
750 Parkplätze für Besucher der Gartenschau. Am Wochenende etwa
1000“, rechnet OB Zeitler vor. Ob das reichen wird?
Und was kostet das Ganze? Für die 179 Tage kalkulieren die Macher mit 12,8 Millionen Euro, die Stadt muss zwei Millionen davon aufbringen. All das, was den Überlingern nach Ende der Gartenschau nachhaltig zur Verfügung steht, schlägt mit 10,5 Millionen zu Buch, wobei die Stadt 5,5 Millionen davon selbst finanzieren muss. Noch im September 2018 hat der Gemeinderat erfreut festgestellt, dass sich „die Bauprojekte der Landesgartenschau unabhängig von den allerorten festzustellenden konjunkturellen Risiken nach wie vor im ursprünglichen Kostenrahmen bewegen“.
Darüber hinaus gibt es neben den Ausgaben ja auch Einnahmen. Die Geschäftsführung der Landesgartenschau rechnet mit 775 000 Zutritten, Mehrfachbesuche inbegriffen. Eine reguläre Tageskarte wird 18 Euro kosten, die Dauerkarte 115. Eine Familie mit beliebig vielen Kindern muss 40 Euro für einen Tag im blühenden Überlingen anlegen. Der Vorverkauf startet am 15. September
2019. Die Kombikarte, die den Besuch der Insel Mainau einschließt, kostet 36 Euro. Was am Ende bei der Stadt Überlingen hängen bleibt, wagt Jan Zeitler heute nicht zu sagen. „Das wäre zu diesem Zeitpunkt unseriös“, sagt der Oberbürgermeister.
Eine Reihe von Veranstaltungen hat den Bürgern im Vorfeld die Möglichkeit geboten, sich an der Vision einer Landesgartenschau aktiv zu beteiligen. Und auch vor, während und nach der Veranstaltung wird das Blumenfest nicht ohne den Beistand der Überlinger auskommen: Um alle Aufgaben im Zusammenhang mit der Gartenschau zu bewältigen, braucht es Ehrenamtliche, Freunde und Unterstützer. „Im Augenblick sind rund
300 freiwillige Helfer registriert – und täglich kommen welche dazu“, erklärt Petra Pintscher, die fürs Marketing der Schau zuständig ist.
Ein Motto der Landesgartenschau lautet „Auf zu neuen Ufern“. Die Euphorie über die Veränderungen in Überlingen teilt indes nicht jeder. Unter anderem ist im Bereich des Uferparks eine Allee mit alten Platanen gefällt worden. Kritiker monieren, dass der Naturschutz zu kurz komme. Die Veranstalter kontern, dass Natur und Grün durch die Gartenschau nachhaltig gestärkt würden.
Ausführliche Informationen unter www.überlingen2020.de
„Wir wollen, dass die Menschen eine entspannte Gartenschau erleben.“
Edith Heppeler, Geschäftsführerin der Landesgartenschau