Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

In der Spur

Die Jahre der Krise scheinen beim Modellbahn­hersteller Märklin endgültig vorbei zu sein

- Von Benjamin Wagener

GÖPPINGEN/RAVENSBURG - Ein alter Bahnhofsvo­rsteher steht vor einer in die Jahre gekommenen Ankunftsha­lle. Er schippt die schneebede­ckten Gleise frei, auf denen schon lange kein Zug mehr gehalten hat. Im Schalterra­um fällt der Blick des betagten Mannes auf vergilbte Fahrticket­s und auf das Bild seines Enkels in einer Taschenuhr. Erst durch die folgende Filmszene erschließt sich dem Betrachter eine zweite Ebene: Ein Rumpeln kündigt zur Überraschu­ng des Mannes die Ankunft eines Zuges an – und die Kamera schwenkt in die Höhe, gleitet über eine Modellbahn­anlage und erfasst das Lächeln eines Jungen, der den Trafo seiner Modelleise­nbahn bedient. Es ist der Junge auf dem Bild in der Taschenuhr. Im Abspann die Zeile „Märklin verbindet Generation­en“.

Es sind nicht zuletzt solche Marketinga­ktionen wie der Weihnachts­film, den das Göppinger Traditions­unternehme­n zu Weihnachte­n 2018 veröffentl­icht hat, die Märklin zurück in die Erfolgsspu­r gebracht haben. Im laufenden Geschäftsj­ahr, das Ende März endet, werde der Umsatz nach Angaben von Märklin-Chef Florian Sieber um 3,7 Prozent auf 112 Millionen Euro steigen. „Wir sind profitabel und schreiben schwarze Zahlen“, sagte Sieber der „Schwäbisch­en Zeitung“vor der am Mittwoch beginnende­n Nürnberger Spielzeugm­esse.

„Wir haben in allen Segmenten und über alle Marken hinweg eine Schippe draufgeleg­t und mit dem Marketing neue Kunden gewonnen“, erklärt Sieber. Einem Marketing, das mit dem Film über den alten Bahnhofsvo­rsteher auch die Geschichte des Unternehme­nschefs selbst erzählt. „Auch ich hatte mit meinem Opa in unserem Keller eine Eisenbahn aufgebaut“, erinnert sich der 32-jährige Manager. „Es sind die schönsten Erinnerung­en an meinen Großvater, die ich habe.“

Aus der Insolvenz geführt

Im Frühjahr 2013 übernahm Florian Sieber gemeinsam mit seinem Vater das insolvente Unternehme­n, das 2009 in die Pleite gerutscht war, beglich alle Schulden – und führte es Schritt für Schritt aus der Krise heraus. Mittlerwei­le beschäftig­t Märklin wieder fast 1200 Mitarbeite­r am Stammsitz in Göppingen und im ungarische­n Györ. „Natürlich sind wir zufrieden mit der Entwicklun­g, aber wir dürfen uns auch nicht ausruhen“, sagt Florian Sieber, der seine ersten Erfahrunge­n in der Spielzeugb­ranche als Assistent der Geschäftsf­ührung der Simba-Dickie-Gruppe gemacht hat, die Vater Michael und Großvater Fritz 1982 im fränkische­n Fürth gegründet hatten.

Vor allem die in Lizenz gefertigte Lokomotive Emma aus dem Kinderbuch-Klassiker „Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivf­ührer“von Michael Ende hat die Umsätze bei Märklin im vergangene­n Jahr nach oben getrieben. Kurz nach dem Kinostart des gleichnami­gen Films im März vergangene­n Jahres sei das Starterset ausverkauf­t gewesen. Inzwischen seien mehr als 10 000 Stück abgesetzt worden, daher werde es nun fest ins Programm genommen. „Es war das am stärksten nachgefrag­te Produkt, das wir 2018 produziert haben“, sagt Sieber.

Auch auf der Spielwaren­messe in Nürnberg soll Michael Endes Geschichte über Jim, Lukas und die Lokomotive Emma am Märklin-Stand eine große Rolle spielen: Neben Neuprodukt­en für alle Spurweiten stellt der Spielzeugh­ersteller auch eine Emma-Lokomotive für die größte Spurweite vor, die Eisenbahnf­ans im Garten aufbauen können.

Millionen für neue Produkte

Im neuen Geschäftsj­ahr 2019/20 will Märklin 6,5 Millionen Euro in neue Produkte investiere­n, dazu kommen

2,5 Millionen Euro für Maschinen, weitere vier Millionen Euro fließen in das neue Museum, das Ende des Jahres am Stammsitz in Göppingen fertig werden soll. Insgesamt investiert Märklin über mehrere Jahre

11,3 Millionen Euro in das sogenannte Märklineum. Auf einer Fläche von rund 3000 Quadratmet­ern soll für Sammler und Familien eine Modelleise­nbahnanlag­e und eine Erlebniswe­lt entstehen.

Sorgen wegen der schwächeln­den Weltwirtsc­haft macht sich Florian Sieber nicht. Denn der These des früheren Chefs des Ravensburg­er Spieleverl­ags, Karsten Schmidt, nach der Menschen in Krisenzeit­en besonders gerne spielen, stimmt der MärklinGes­chäftsführ­er zu – jedenfalls im Kern. „Da steckt ein Fünkchen Wahrheit drin“, sagt Sieber. „In den Zeiten verzichten die Menschen auf große Investitio­nen, Geschenke für die Kinder an Weihnachte­n gibt es aber trotzdem.“Eine Ausgangspo­sition, um die die deutsche Exportindu­strie Sieber wohl beneiden dürfte.

Den Film, der die Kindheitse­rinnerunge­n von Märklin-Chef Florian Sieber aufgreift, ist zu sehen unter www.schwäbisch­e.de/lokomotive

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FOTO: DPA Märklin-Geschäftsf­ührer Florian Sieber hinter einem Modell der preußische­n Lokomotive P8, die 1906 zum ersten Mal gefahren ist: „Wir sind profitabel und schreiben schwarze Zahlen.“

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