Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Pakt der Erzrivalen im Kampf gegen Uber
Die Premium-Autohersteller Daimler und BMW bündeln vorhandene Strukturen – Mögliche Geschäftsfelder gehen weit über das Auto hinaus
BERLIN - Carsharing, Tickets für den Nahverkehr vermitteln, Ruftaxen bereitstellen, Fahrgemeinschaften organisieren oder Parkgebühren abrechnen: Derlei Dienstleistungen rund um die Mobilität sind vor allem in den Städten immer mehr gefragt. Bislang dominieren wenige finanzstarke Unternehmen wie Uber diesen stark wachsenden Markt. Nun wollen die beiden deutschen Autohersteller Daimler und BMW einen weltweiten Anbieter für diese Dienste aufbauen. „Jurbey“heißt das Gemeinschaftsunternehmen, das in den nächsten Wochen in Berlin an den Start gehen wird. Der Name steht für „Young urban journey“, was sich grob mit junger städtischer Mobilität übersetzen lässt.
Die ungewöhnliche Kooperation der direkten Wettbewerber bei der Herstellung von Fahrzeugen beginnt nicht bei null, sondern bündelt fünf bereits vorhandene Dienste. Am bekanntesten sind dabei die Carsharing-Töchter Car2go von Daimler und Drive-Now von BMW. Zusammen verfügen sie in 31 Städten im Inund Ausland über eine Flotte von 20 000 Fahrzeugen, die über eine App auf dem Smartphone kurzzeitig gemietet werden können. Nach Angaben der Unternehmen nutzen über vier Millionen Kunden das Angebot.
Zurückhaltung bei Details
Zweiter Baustein sind die Firmen Moovel und Reach Now. Ihr Job ist die Vernetzung verschiedener Verkehrsangebote inklusive Buchung und Bezahlung für den intelligenten Transport durch die oft verstopften Verkehrsadern der Städte. Laut Moovel-Sprecher Michael Kuhn hat die Sparte 6,2 Millionen Kunden in Deutschland und den USA. Drittes Standbein wird die Bündelung mehrerer Taxirufdienste. Schließlich mischt das neue Joint Venture bei Parkdiensten, etwa der automatischen Abbuchung von Parkgebühren, und dem Betrieb von Ladestationen für Elektromobile mit. Weltweit sind bereits fast 200 000 „E-Tankstellen“im System erfasst.
Noch halten sich die beiden Mutterkonzerne mit Details zu ihrer gemeinsamen Strategie zurück. Erst zum offiziellen Start Anfang Februar wollen sie sich dazu äußern. Das Ziel ist allerdings bekannt. Die Vorzeigeunternehmen bei Luxusautos wollen auch bei den Mobilitätsdiensten eine weltweite Führungsrolle einnehmen. Dafür müssen sie kräftig in die digitale Verarbeitung und das Management von Daten investieren. „Unsere Vision ist es, gemeinsam einen global bedeutenden Player für nahtlos und intelligent vernetzte Mobilitätsdienstleistungen zu schaffen“, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche bei der Bekanntgabe des Vorhabens vor knapp einem Jahr.
Mit neuen Diensten rund um die Reisekette vom Startpunkt bis zum Ziel ist auch die Deutsche Bahn unterwegs. Vom Fahrrad über das Auto bis hin zu Zubringertaxen aus Randgebieten zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel testet der Konzern Geschäftsmöglichkeiten aus. Den Wettbewerb zu den Autokonzernen scheut die Bahn nicht. „Wir haben die besseren Konzepte“, sagt Unternehmenssprecher Jürgen Kornmann, „weil wir nicht mehr Verkehr auf die Straße bringen.“Im Fokus stehe die Vernetzung mit Bussen und Bahnen.
Die Autohersteller müssen dagegen schon länger beobachten, dass insbesondere die jüngeren Einwohner der Metropolen auf das eigene Fahrzeug verzichten und sich je nach Bedarf auf dem Rad, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder Mietwagen ihren Weg zum Ziel bahnen. Auch VW als dritter großer Produzent sieht für die Vernetzung der Transportmittel einen zunehmenden Bedarf. Vor allem vom Carsharing erhoffen sich die Wolfsburger Wachstumschancen. „Für Europa gehen die niedrigsten Prognosen von einem jährlichen Wachstum von 15 Prozent aus“, sagt der Chef der dafür gegründeten VWTochter UMI Urban Mobility International, Phillip Reth.
Das weltgrößte Autounternehmen sieht Berlin als einen guten Standort für dieses Angebot. Ab dem Frühjahr 2019 will VW 2000 Elektrofahrzeuge auf die Straßen der Metropole bringen. An der Spree hat der Konzern bereits das Unternehmen Moia angesiedelt, das sich ebenfalls mit der Vernetzung von Verkehrsangeboten befasst.